Blutsauger mit infektiösem Speichel 30.04.2021
Mit den frühsommerlichen Temperaturen werden auch Zecken wieder aktiv
Zecken können nach nur einer einzigen Mahlzeit viele Monate ohne einen weiteren Tropfen Blut überleben und damit Temperaturen unter sechs Grad Celsius einfach abwarten. Mit den ersten milden Tagen ist der Verdauungsschlaf allerdings zu Ende, die ersten Blutsauger lauern schon jetzt wieder im hohen Gras, in Sträuchern und im Unterholz, auf Mensch und Tier. Hierzulande ist es vor allem der „Gemeine Holzbock“ aus der Familie der Schildzecke, der mit seinem scherenartigen Mundwerkzeug zwickt, sticht und saugt und mit seinem Speichel Viren und Bakterien übertragen kann.
Die von Zecken übertragene Viruserkrankung Frühsommer-Meningoenzephalitis – kurz FSME – tritt in Vorarlberg nach wie vor eher selten auf (elf bestätigte Fälle waren es im Vorjahr). Zudem gibt es seit Jahren einen vorbeugenden Impfstoff zum Schutz.
Für die weit häufigere Infektionskrankheit, die Borreliose, gilt das nicht: „Diese wird von spiralförmigen Bakterien, den Borrelien, verursacht“, erklärt OA Dr. Richard Stockinger vom Institut für Pathologie und Mikrobiologie am Landeskrankenhaus Feldkirch. Und dagegen kann man nicht impfen.
Frühzeitige Entfernung der Zecke verhindert Infektion
„Die Borrelien fühlen sich vor allem in den Körpern von Kleinnagern und Vögeln wohl. Hat sich eine Zecke von einem befallenen Tier ernährt, können sich die Bakterien auch im Darm des Blutsaugers ansiedeln“, erklärt der Mediziner. Sticht diese Zecke dann wiederum einen Menschen, wandern die Bakterien in die Speicheldrüsen der Zecke. Beim Saugen gelangt dieser Speichel in den Körper des Menschen und mit ihm eben auch die Bakterien.
Da die Wanderung der Borrelien aus dem Darm der Zecke in die Speicheldrüsen Zeit braucht, kann eine frühzeitige Entfernung der Zecke eine Krankheitsübertragung verhindern. Prinzipiell gilt: je früher die Zecke entfernt wird, desto geringer ist das Risiko einer Übertragung. Wird die Zecke innerhalb der ersten zwölf bis 24 Stunden entfernt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Borrelien-Infektion sehr gering.
Juni bis August ist Hauptsaison
Insgesamt ist das Infektionsrisiko stark von der Witterung abhängig. Die meisten Krankheitsfälle in Vorarlberg werden von Juni bis August gemeldet. Die Gefahr, von Zecken befallen zu werden, besteht vor allem bei Kontakt mit bodennahen Pflanzen - etwa mit Gras, Kraut und Sträuchern. Schützen kann Kleidung, die möglichst viel Körperoberfläche bedeckt: lange Hosen, langärmelige Hemden und festes Schuhwerk. „Nach einem Aufenthalt im Freien sollte der Körper sorgfältig nach Zecken abgesucht werden“, rät Richard Stockinger. „Insbesondere bei Kindern können sie auch am Kopf sitzen. Wir empfehlen, Haustiere ebenfalls regelmäßig abzusuchen.“ Dass neben Zecken auch andere blutsaugende Insekten Borrelien übertragen können, sei bislang übrigens nicht bekannt.
Bevölkerungsanteil mit Antikörpernachweis recht hoch
Ist einmal eine Übertragung mit Borrelien passiert, führen die wenigsten Infektionen tatsächlich auch zu Krankheitssymptomen: „Nach dem Stich einer mit Borrelien infizierten Zecke kommt es in rund 20 Prozent der Fälle zu einer Reaktion auf das Bakterium mit Bildung von Antikörpern“, erklärt Richard Stockinger: „Allerdings zeigen nur zwei Prozent der Infizierten Symptome.“ Daher wissen viele gar nicht, dass sie irgendwann einmal Kontakt mit Borrelien hatten.
Nach Angaben der Experten ist der Anteil der Bevölkerung mit einem Antikörpernachweis relativ hoch: „Wir wissen, dass bei rund zehn Prozent der Blutspender Antikörper nachweisbar sind, 30 Prozent sind es bei den Waldarbeitern und bis zu 70 Prozent bei Jägern. In den meisten Fällen haben diese Menschen Antikörper, ohne dass jemals Krankheitssymptome aufgetreten sind. Das bleibt für den Großteil auch ohne Folgen.“
Von Fieber und Wanderröte…
Merken die Menschen die Erkrankung in der Frühphase, dann haben sie meist Symptome wie Müdigkeit, verminderter Appetit, Kopf- und Nackenschmerzen, Muskel- und Gelenksschmerzen sowie Lymphknotenschwellungen und Fieber. Nach Angaben von Richard Stockinger können in der Folge verschiedene Organsysteme betroffen sein: „Insbesondere sind das die Haut und das Nervensystem, seltener andere Organstrukturen wie die Gelenke und das Herz.“
Generell unterscheiden die Fachleute zwischen frühen und späten Formen der Erkrankung: „Das häufigste Erkrankungsbild in der Frühphase ist die sogenannte Wanderröte, eine kreisförmige Rötung der Haut, die mindestens fünf Zentimeter Durchmesser erreicht und erst drei bis 30 Tage nach dem Zeckenstich auftritt.“ Bei über 85 Prozent der Patientinnen und Patienten bleibt das die einzige nach außen hin sichtbare Krankheitserscheinung.
… bis hin zu Entzündungen im Nervensystem
In den ersten Wochen bis Monaten der Erkrankung kann sich aber auch eine „Neuroborreliose“ entwickeln, also eine Entzündung im Bereich des Nervensystems. Dabei kann es zu einer schmerzhaften Beteiligung der Nervenwurzeln im Bereich des Rückens bzw. des Rückenmarks kommen. Die vor allem nächtlich auftretenden Schmerzen strahlen in verschiedene Körperbereiche, insbesondere Arme und Beine aus. „Außerdem“, ergänzt OA Dr. Joachim Blocher, Neurologe am LKH Feldkirch, „können die Hirnnerven betroffen sein. Das zeigt sich beispielsweise mit einer Gesichtsnervlähmung“. Zusätzlich kommt es regelmäßig auch zu einer Reizung der Hirnhäute, was mit starken Kopfschmerzen und Nackensteifigkeit einhergeht.
Erkrankungen unbedingt abklären
„Diese Symptome gehören ärztlich abgeklärt“, betonen sowohl der Pathologe, als auch der Neurologe. Erste Ansprechpersonen sind hier Ärztinnen und Ärzte im niedergelassenen Bereich, die dann im Ernstfall an die Spitäler überweisen. Bleibt eine symptomatische Erkrankung unbehandelt, können sich späte Formen der Borreliose entwickeln. Die können dann Gelenke, Haut und Herz betreffen. „Bei entsprechender Therapie sind aber auch diese Erkrankungen gut behandelbar und bleiben in aller Regel ohne dauerhafte Folgen. Nur in einzelnen Fällen kann es zu Narben im Nervensystem kommen, bei denen auch nach entsprechender Therapie Beeinträchtigungen zurückbleiben können“, sind sich die Mediziner einig.
Direkter Nachweis von Borrelien schwierig
Weil andere Erkrankungen ähnliche Symptome verursachen können, lässt sich auch durch sehr sorgfältige Untersuchung und Befragung eine Infektion mit Borrelien nicht immer eindeutig bestimmen. Der Kontakt mit den Bakterien kann dann aber über eine Blutuntersuchung nachgewiesen werden. Und das geschieht am Institut für Pathologie und Mikrobiologie: „Konkret werden hier jene Antikörper bestimmt, die in Folge einer Borrelien-Infektion gebildet werden“, erklärt Richard Stockinger.
Aber: Vor allem im sehr frühen Krankheitsverlauf sind oft noch keine Antikörper nachweisbar: „Eine konkrete Einschätzung kann daher oft erst nach einer zweiten Blutabnahme im Abstand von zwei bis vier Wochen erfolgen. Bei der typischen Wanderröte, wir sprechen hier von einer klinisch-anamnestischen Diagnose, werden sich die Ärztin oder der Arzt daher bereits anhand der Befundkonstellation für eine antibiotische Therapie entscheiden. Dadurch werden schwere Krankheitsverläufe und Späterscheinungen verhindert“, so OA Dr. Stockinger.
Oft jahrelang Antikörper nach Infektion
Patientinnen und Patienten, die im Frühstadium der Borreliose mit Antibiotika behandelt werden, erholen sich in den meisten Fällen rasch und vollständig: die Erkrankung heilt - spontan oder nach entsprechender Therapie - folgenlos aus und die Erreger sterben ab.
Die Antikörper hingegen bleiben auch nach einer erfolgreichen Behandlung sowie nach einer asymptomatischen Infektion oft über Jahre hinweg nachweisbar, was bei der Einordnung der serologischen Befunde entsprechend berücksichtigt werden muss.
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