Würde bis zuletzt: 20 Jahre Palliativarbeit am LKH Hohenems 10.03.2023
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“, sagte Cicely Saunders, die Begründerin der modernen Hospizbewegung und Palliativmedizin. Ganz in diesem Sinne begleitet und behandelt das Expert:innenteam der Palliativstation am Landeskrankenhaus Hohenems seit nunmehr 20 Jahren unheilbar kranke Menschen auf dem letzten Stück ihres Lebensweges. Das runde Jubiläum wurde gestern, 10. März, mit einem Palliativsymposium und einem feierlichen Festakt begangen.
„Im Mittelpunkt steht der Erhalt bestmöglicher Lebensqualität“, erklärt der geschäftsführende Oberarzt Dr. Otto Gehmacher die Arbeit der Palliativstation am Landeskrankenhaus Hohenems. „Dazu gehören vor allem eine gute Symptomkontrolle, um Beschwerden zu lindern, und eine ganzheitliche Betreuung, die durch ein interprofessionelles Team geleistet wird.“ Neben den Patient:innen steht das Palliativteam deren Angehörigen in dieser für alle höchst belastenden Situation unterstützend zur Seite. Zwei Drittel der Patient:innen werden wieder entlassen, aber natürlich bedeutet Palliative Care auch Sterbebegleitung.
Palliativversorgung im Wandel
Im März 2003 eröffnete im Kaiserin-Elisabeth-Trakt am LKH Hohenems Vorarlbergs erste und bislang einzige Palliativstation. Hier erfolgt seither die akute palliativmedizinische Versorgung von Menschen mit einer nicht heilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung. Die 2018 erweiterte Abteilung verfügt insgesamt über 16 Betten und nimmt jährlich rund 360 Patient:innen stationär auf. Das historische Jugendstilgebäude bietet den idealen Rahmen für die oft intensive medizinische und pflegerische Betreuung, wobei die Patient:innen auch von der Nähe zum Krankenhaus und der dort verfügbaren Diagnostik profitieren.
„Palliative Care hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stetig weiterentwickelt und gehört inzwischen zum ‚Standard-Repertoire‘ in der Betreuung Schwerkranker“, berichtet Prim. Priv.-Doz. Dr. Günter Höfle, Chefarzt und Leiter der Inneren Medizin am LKH Hohenems. Außerdem habe sich der Zeitpunkt verschoben, an dem mit einer Palliativbehandlung begonnen wird: „Unsere Expertise wird nun schon viel früher und oft begleitend zu kausalen Therapien beigezogen.“
Mehr Lebensqualität auch für chronisch Kranke
Ursprünglich wurde die Palliativmedizin fast nur bei „austherapierten“, terminal kranken Krebspatient:innen angewendet. Inzwischen finden sich unter den Patient:innen auch viele chronisch kranke Menschen mit hoher Symptomlast, z.B. mit schweren Lungenerkrankungen (COPD), fortgeschrittener Herzschwäche, Leberzirrhose und neurologischen Erkrankungen. Der Nutzen der Palliativbetreuung ist wissenschaftlich wiederholt belegt worden. „Studien haben gezeigt, dass Patient:innen, bei denen eine unheilbare Krankheit mit belastenden Symptomen diagnostiziert wird, von Beginn ihrer Behandlung an von einer Palliativbetreuung profitieren – ihre Lebensqualität ist höher und sie benötigen auch weniger Spitalsaufenthalte“, verdeutlicht der Palliativmediziner Dr. Gehmacher.
Erfahrenes Netzwerk für bestmögliche Betreuung
Als palliatives Kompetenzzentrum in Vorarlberg ist die Palliativstation Hohenems nicht nur für Patient:innen und deren Angehörige eine wichtige Anlaufstelle. Zu den Aufgaben gehört auch die Ausbildung von Ärzt:innen und Pflegefachkräften ebenso wie jegliche Art von Wissensvermittlung in Form von Fortbildungen. Nicht zuletzt spielt die Station eine zentrale Rolle als Drehscheibe für alle akuten palliativmedizinischen Aufgaben und arbeitet als solche eng mit den anderen Systempartner:innen zusammen.
Denn die Palliativversorgung in Vorarlberg liegt in den erfahrenen Händen eines gut eingespielten Netzwerks. So betreut das zur Palliativstation gehörende mobile Palliativteam, bestehend aus Ärzt:innen, Pflegefachkräften und Sozialarbeiter:innen, Patient:innen vor Ort. Diese können dadurch in ihrer vertrauten Umgebung bleiben.
Die Palliativstation selbst ist für besonders aufwändige und komplexe Aufgabe zuständig, die zu Hause nicht geleistet werden können. „Bei uns auf der Station stellen wir die Patient:innen optimal ein und besprechen gemeinsam mit ihnen und ihren Angehörigen, wo und wie die weitere Betreuung stattfinden soll“, berichtet die Pflege-Stationsleiterin, DKGP Andrea Moosbrugger. Die individuelle und dabei hochprofessionelle Pflege, die sich an den Bedürfnissen der Patient:innen orientiert, die Geborgenheit vermittelt und Würde erhält, ist seit Jahren ein Qualitätsmerkmal der Station.
Auch die Zusammenarbeit mit dem Hospiz am See in Bregenz ist sehr gut: „Wenn die Weiterbetreuung zu Hause oder in einem Pflegeheim nicht mehr möglich ist, kann das Hospiz die längerfristige Betreuung der Patient:innen übernehmen und ihnen ein letztes Zuhause bieten.“
„Die Kunst des Heilens“: Palliativsymposium gut besucht
Sterben wird in der heutigen Gesellschaft immer weniger sichtbar und verlagert sich zunehmend in Krankenhäuser und Pflegeheime. „Das 20-jährige Bestehen der Palliativstation am LKH Hohenems haben wir daher zum Anlass genommen, eine offene Auseinandersetzung mit Themen wie Sterben und Tod, Krankheit und Schmerz, aber auch Hoffnung und heilsame Pflege anzuregen“, so Dr. Otto Gehmacher.
Sein Team organisierte eigens dazu am 10. März ein Symposium. Die Fachveranstaltung stand unter dem Motto „Die Kunst des Heilens“. Vorträge von Expert:innen unterschiedlichster Fachbereiche spannten dabei einen weiten Bogen: vom Eintreten für eine Ethik der Zwischenmenschlichkeit über die Geschichte der Heilkunst bis hin zu Fortschritten in der Onkologie, den Möglichkeiten hochtechnischer Roboter-Chirurgie und der Kunst zu pflegen. Zusätzlich teilte das interdisziplinäre Palliativteam mit den mehr als 250 Teilnehmer:innen Erfahrungen aus dem Palliativalltag. Einen humorvollen Akzent setzte Kabarettistin Gabi Fleisch mit ihrem Programm „Uf Tod und Leaba“.
„Dass wir für unsere Veranstaltung den Titel ‚Die Kunst des Heilens‘ gewählt haben, mag auf den ersten Blick verwundern. Tatsächlich passiert jedoch gerade im Umgang mit schwer kranken, sterbenden Menschen auch sehr viel Heilsames“, so Organisator Dr. Gehmacher.
Feierlicher Festakt im Löwensaal
Im Anschluss an das Symposium lud das Team der Palliativstation gemeinsam mit der Krankenhausleitung im Hohenemser Löwensaal zum feierlichen Festakt. Die Begrüßung übernahm Landesrätin Martina Rüscher, MBA, MSc gemeinsam mit Verwaltungsdirektor Andreas Lauterer, BSc, MA. Anschließend blickten Chefarzt Priv. Doz. Dr. Günter Höfle, Pflegedirektor Arno Geiger, MSc und der leitende Oberarzt Dr. Gehmacher auf die Erfolge und Herausforderungen in der Palliativmedizin der vergangenen zwei Jahrzehnte zurück und wagten auch einen Ausblick in die Zukunft: „Unsere Herausforderungen bleiben vielfältig, angefangen vom Ausbau des mobilen Palliativteams über die Etablierung eines palliativen Konsiliar-Dienstes bis zur Begegnung mit dem neuen Sterbehilfe-Gesetz.“ Unter den Ehrengästen waren auch Bischof Benno Elbs und Bürgermeister Dieter Egger. Den Abschluss des Rahmenprogramms gestaltete Sepp Gröfner, Leiter der Telefonseelsorge, mit dem humoristischen Beitrag „Flädlesuppe ist gut gegen Sterben...“.
"Viele Helfer:innen aus den unterschiedlichsten Professionen haben zum guten Ruf der Palliativstation in Hohenems beigetragen“, betonen Dir. Dr. Gerald Fleisch und Dir. Prim. Dr. Peter Fraunberger, beide Geschäftsführer der Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsges.m.b.H., anlässlich des 20-jährigen Jubiläums. Neben Ärzt:innen und Pflegefachkräften sind dies Expert:innen aus den Bereichen Psychotherapie, Sozialarbeit und Musiktherapie, Abteilungshilfen und ehrenamtliche Hospiz-Mitarbeitende. „Ihnen allen gebührt ein herzliches Dankeschön für ihren großen, auch für uns als Gesellschaft immens wertvollen Beitrag zur Begleitung schwerstkranker Menschen und ihrer Familien.“ Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dies gilt von allem Anfang an – und insbesondere dann, wenn das Leben zu Ende geht.
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