Weniger Infektionskrankheiten im Corona-Jahr 04.08.2021
Lockdown, Schutzmaske, weniger Kontakte, Abstandhalten, Händewaschen, Reisebeschränkungen. Die Maßnahmen, die seit Bekanntwerden von SARS-CoV-2 verhängt worden sind, um das Virus in Schach zu halten, haben auch anderen Viren und Bakterien die Übertragung schwieriger gemacht. Die positive Nebenwirkung: auch in Vorarlberg sind im ersten Corona-Jahr vor allem jene Infektions- und meldepflichtigen Krankheiten zurückgedrängt worden, die durch Tröpfchen übertragen werden. Am deutlichsten fällt dieser - wohl vorübergehende - Rückgang bei Influenza, Atemwegs- sowie Fernreise- und Tropenkrankheiten auf.
Während in Vorarlberg beispielsweise pro Jahr durchschnittlich über 100 Menschen wegen einer Influenza stationär im Spital behandelt werden müssen, hat es in der Grippesaison 2020/21 im Land praktisch überhaupt keine bestätigten Grippefälle gegeben – sprich: heuer war die Grippewelle nicht bemerkbar. (Anmerkung: Anfang 2020 war die Grippewelle schon fast vorüber, als Corona aufgetreten ist – zuvor hat es sehr wohl Erkrankungen im Jänner und Februar gegeben.)
Ausbleiben brachte Entlastung
„Das war auch gut so“, zieht OÄ Dr. Gabriele Hartmann Bilanz, sie ist die Leiterin des Instituts für Krankenhaushygiene und Infektionsvorsorge am Landeskrankenhaus Feldkirch. „Denn normalerweise sind unsere Stationen im Jänner und Februar mit Grippe-Patient:innen voll. Der Lockdown in dieser Hochphase der Influenza hat uns heuer tatsächlich in diesem Bereich entlastet. Nicht auszudenken, wenn die Grippewelle noch zur Corona-Pandemie dazugekommen wäre.“ Dr. Hartmann geht allerdings davon aus, dass diese Verschnaufpause nur kurz währt und künftig wieder mit einem schwereren Grippejahr zu rechnen ist.
Atemwege blieben verschont
Apropos „Verschnaufen“: Auffallend zurückgegangen ist im ersten Corona-Jahr vor allem die Zahl an Infekten der Atemwege, die durch Tröpfchen übertragen werden: Respiratorische Viren und Bakterien, wie etwa das Bakterium Hämophilus influenzae, das Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen verursachen kann, sind spürbar weniger aufgetreten. „Wir haben beispielsweise auch einen starken Rückgang von RSV-Infektionen beobachtet“, bestätigt Gabriele Hartmann. Das RSV ist ein Erreger, der vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern Atemwegsinfektionen verursacht. „Tatsächlich“, ergänzt Univ. Prof. Dr. Burkhard Simma, Primar der Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am LKH Feldkirch, „konnten wir mit Beginn des ersten Lockdowns 2020 den vorerst letzten unserer RSV-Patient:innen entlassen. In der Zeit danach ist die Infektion bis dato praktisch verschwunden. Ansonsten merken wir das Aussetzen diverser Infektionskrankheiten - von Influenza bis hin zu Atemwegsinfekten - im Kinderbereich genauso wie bei den Erwachsenen. Da gibt es kaum einen Unterschied.“
Deutlich weniger aufgetreten sind auch Pneumokokken. Die Bakterien können Hals-, Atemwegs- und im schlimmsten Fall auch Hirnhautentzündungen auslösen. Teilweise verzeichnet die Statistik des Sozialministeriums hier einen Rückgang der gemeldeten Fälle um bis zu 50 Prozent.
Durchatmen hieß es auch bei Keuchhusten, der vergangenes Jahr laut Statistik des Sozialministeriums in Vorarlberg 24 Mal diagnostiziert worden ist, 2019 war es noch 32 Fälle. Scharlach ist von 16 auf zwei Fälle zurückgegangen, und Masern ist im Corona-Jahr 2020 überhaupt nicht mehr aufgetaucht. 2019 haben immerhin zwei bestätigte Fälle im Land den Fachleuten Sorgen bereitet.
Weniger Fernreise- und Tropenkrankheiten, Hepatitis C und Noroviren
Wer auf Reisen geht, bringt hin und wieder auch unliebsame Souvenirs - etwa in Form von Salmonellen und Denguefieber - mit. Im Jahr 2020 sind aufgrund der Reisebeschränkungen auch die Zahlen typischer Fernreise- und Tropenkrankheiten zurückgegangen bzw. teils sogar auf null gesunken.
Auch Hepatitis C wird landläufig als Krankheit gesehen, die man aus fernen Ländern mitbringt. Tatsächlich kann man sich aber auch Hierzulande und in den direkten Nachbarländern damit anstecken. So oder so - auch hier sind die gemeldeten Fälle zurückgegangen: 27 Mal ist Hepatitis C in Vorarlberg diagnostiziert worden, im Jahr davor 65 Mal.
Noroviren kann man sich ebenfalls überall einfangen, dazu muss man nicht unbedingt reisen. Die Auslöser für Magen-Darm-Infektionen haben im Corona-Jahr jedenfalls keinen guten Nährboden für ihre üble Verbreitung gefunden: sie sind 41 Mal gemeldet worden, im Jahr 2019 haben Noroviren noch in 104 Fällen den Menschen das Leben schwer gemacht.
Lockdown und Hygiene als Hauptursache
„Alles in allem dürften die Hauptgründe für die teils starken Rückgänge einzelner Erreger tatsächlich in den Lockdowns und den Hygienemaßnahmen liegen“, fasst Infektionsfachfrau Gabriele Hartmann zusammen. Die Expertin geht zudem davon aus, dass sich auch die Kindergarten- und Schulschließungen entsprechend ausgewirkt haben.
Verstärkend hinzugekommen wird wohl auch sein, dass einzelne Krankheitsfälle erst gar nicht bekannt geworden sind und so in der Statistik nicht aufscheinen: die Menschen sind während des ersten Corona-Jahres generell etwas weniger in Spitäler, Arztpraxen und Apotheken gegangen. Deshalb ist es möglich, dass auch weniger meldepflichtige Krankheiten entdeckt worden sind.
„Jedenfalls spielt eine solche Unterbrechung des Infektionsgeschehens für die allgemeine Abwehrfähigkeit unseres Immunsystems keine Rolle“, erklärt Dr. Hartmann: „Der menschliche Körper wird es auch weiterhin wie gewohnt mehr oder weniger gut schaffen, mit Schnupfen, Halsweh, Durchfall und Co. fertigzuwerden. Das hat er in dieser kurzen Pause nicht verlernt, dafür ist auch der Grad der Durchseuchung zu hoch.“
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