Preisgekrönte Medizinphysik am LKH Feldkirch 18.08.2021
Bestrahlung von Tumoren deutlich verbessert
Am Institut für Medizinische Physik am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch arbeiten derzeit 15 Fachleute. Nach Angaben von Dipl. Ing. Matthias Kowatsch tüfteln sie laufend an verbesserten Grundlagen für die Strahlentherapie und Radioonkologie, sie verfeinern die Messungen für die Nuklearmedizin und sichern die Qualität in der Röntgendiagnostik. Medizinphysiker liefern quasi die „Software“ für all jene medizinischen Bereiche, in denen ionisierende Strahlung und radioaktive Substanzen eingesetzt werden. Besonders hervorgetan hat sich das Team in den vergangenen Jahren unter anderem im Bereich der Messungen und Berechnungen für die Strahlentherapie. Dadurch ist vor allem die Bekämpfung von HNO-, Prostata-, Brust-, und Lungen-Tumoren deutlich effektiver und für die Patient:innen schonender geworden.
Mit der generellen Verbesserung von Computer-Rechenleistungen in den vergangenen Jahren sind auch die Mess- und Berechnungsmethoden in der Strahlentherapie laufend verfeinert worden. Moderne Geräte sind hier das eine. Sie mit den optimalen Anweisungen und Rechenwegen zu füttern, das andere. Und hier kommen die Medizinphysiker ins Spiel:
Internationaler Vergleich zeigt Kompetenz
Die 15 verschiedenen Institute in Österreich verwenden jeweils ihre eigenen Verfahren und Berechnungen. Dabei muss die Medizinphysik am LKH Feldkirch den Vergleich nicht scheuen – im Gegenteil: bei einem weltweiten Berechnungswettbewerb in den USA haben die Physiker für ihr Mess- und Berechnungssystem den zweiten Platz ergattert. „Das war ein Ansporn, noch besser zu werden“, freut sich Dipl. Ing. Matthias Kowatsch vom Institut für Medizinische Physik am LKH Feldkirch: „Wir haben es in der vergangenen Jahren geschafft, die Messmethoden so zu verfeinern, dass die Rechenmodelle in der Strahlentherapie tatsächlich sehr, sehr nahe an die Wirklichkeit, also an die echten Körper der Menschen, herankommen.“
Modelle wie reale Körper
Am LKH Feldkirch wird seit jeher versucht, bei den neusten Entwicklungen vorne dabei zu sein, um den Patient:innen die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen. Ähnelten die Körpermodelle vor mehr als 20 Jahren noch jenen klobigen Würfeln, die man aus den Anfängen der Computerspiele kennt, so sind es heute, Dank der Entwicklungen in der Computertechnologie, millimetergenaue Abbildungen - individuell für jede:n einzelne:n Patient:in berechnet. In Kombination mit modernsten Geräten lassen sich mit diesen Mess- und Berechnungsmethoden kranke und entartete Zellen punktgenau bestrahlen. „Die Mediziner können nur so genau behandeln, wie das System es vorab berechnet. Die Hersteller liefern uns die Maschinen - wie etwa unseren neuen Oberflächenscanner - samt Basiswissen zur Anwendung. Die Physiker der jeweiligen Spitäler verfeinern dann die Verfahren, erzeugen die Modelle, mit denen man den Computer füttert“, erklärt Matthias Kowatsch. „Und unser Verfahren ist dabei außerordentlich exakt geworden. Das wollen wir noch weiter ausfeilen.“
Gezielte Vernichtung von Tumorzellen
Im Kampf gegen Tumore und Krebszellen werden bei der Bestrahlung Photonen, also kleinste Lichtteilchen losgeschickt. Trifft ein Photonenstrahl auf den Körper auf, ist das in etwa vergleichbar mit dem Auftreffen von sichtbarem Licht auf einen Gegenstand: das Licht wird abgeschwächt, bis es irgendwann gar nicht mehr weiter kommt: auch die Photonen treffen auf dem Körper auf, dringen ein Stück weit ein und reagieren mit Molekülen und Stoffen, die sich im Körper befinden. Dabei müssen die Photonen durch unterschiedliche Schichten durch und laden dabei unterschiedlich viel Energie ab. „Die Herausforderung liegt nun darin, die Übergänge zwischen diesen Schichten für die Dosisplanung richtig zu berechnen“, fasst der Physiker zusammen.
„Wir berechnen den Weg der Photonen so, dass am meisten Energie dort auftrifft, wo der Tumor ist, um ihn zu zerstören. Noch vor zehn Jahren galt eine Genauigkeit von ±3% als sehr exakt. Durch die technischen Verbesserungen können wir heute punktgenau (<1%) bestimmen, welche Dosis im Zielgebiet, das durch die Ärzte vorgegeben wird, ankommt. Durch aufwändige Rechenprogramme können wir das den Ärzten darstellen.“ Damit kann das Fachpersonal den Patient:innen gut voraussagen, wie bestrahlt wird und mit welchen Nebenwirkungen sie rechnen müssen.
Bestrahlung von Tumoren durch Medizinphysik deutlich verbessert
Seit zwölf Jahren wird das derzeit bestehende System in Feldkirch nach und nach verfeinert. „Damals haben Berechnungen, die wir heute in einer halben Stunde bekommen, noch 24 Stunden gedauert“, erinnert sich Matthias Kowatsch.
Aber nicht nur für die behandelnden Teams sind die Messungen und Berechnungen eine Entlastung, vor allem die Patient:innen gewinnen dadurch: Die Bekämpfung von HNO- und Brust-Tumoren sowie die Bestrahlung der Prostata sind durch die optimierte Berechnung und Bildgebung stark verbessert worden: „Nebenwirkungen sind deutlich reduziert worden: „Im HNO-Bereich kommt es beispielsweise nicht mehr automatisch zu Mundtrockenheit nach der Bestrahlung der Speicheldrüsen“, erklärt Matthias Kowatsch. „Auch bei der Bestrahlung der Brust reagiert die Haut nur mehr in seltenen Fällen. Und diesen Fortschritt wollen wir weiterführen.“
Weiter forschen und entwickeln
In Zukunft wollen die Medizinphysiker in Feldkirch nun auch dahingehend forschen, nicht nur die Oberfläche eines Menschen anhand eines Computermodells sichtbar zu machen, sie wollen auch eine Bildgebung in die klinische Routine überführen, die es erlaubt, während der Bestrahlung in die Patient:innen hinein zu sehen: „Dort liegt momentan das meiste Entwicklungspotenzial für die nähere Zukunft hier am LKH Feldkirch“ weiß Matthias Kowatsch. „Dann könnten wir den Photonenstrahl nämlich auch während des Bestrahlungsvorganges noch individuell anpassen. Die Prostata ist beispielsweise ein Organ, das je nach Darm- und Blasenfüllung seine Position bis zu einem Zentimeter ändern kann.“
Nächstes Jahr wird das Team mit seinen neusten Erkenntnissen wieder bei einem internationalen Wettbewerb antreten.
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