Organspende und Transplantationsmedizin - Fortbildung der Gesellschaft der Ärzte in Vorarlberg 11.09.2019
Die Transplantationsmedizin ist einer der beeindruckendsten, aber auch sensibelsten Bereiche in der Medizin. In Österreich werden jedes Jahr rund 800 Organtransplantationen an den vier Transplantationszentren durchgeführt. Die Gesellschaft der Ärzte in Vorarlberg hat nun Kolleginnen und Kollegen zu einer umfassenden Fortbildung mit hochkarätigen Referenten der Transplantationsmedizin ins LKH Feldkirch geladen. OA Dr. Wolfgang List, Transplantationsbeauftragter für das LKH Feldkirch und leitender Arzt für Anästhesie und Intensivmedizin, liegt besonders eine allgemeine Bewusstseinsbildung am Herzen. „Wenn wir mit den betroffenen Angehörigen über eine mögliche Organspende eines verstorbenen Patienten reden, hilft es, wenn das Thema ‚Organspende‘ vorher bereits einmal im Familienkreis besprochen worden ist, wenn man eine Meinung dazu hat und diese bekannt ist. Die Überlegung: ‚Will ich das für mich selbst?‘ und das Darüber-Sprechen kann im Ernstfall Leben retten.“ Die österreichische Regelung über die Organentnahme bei Verstorbenen ist die sogenannte Widerspruchslösung. „Aber niemals entscheiden wir hier gegen den Willen der Angehörigen.“
Eine Organtransplantation ist manchmal die einzige oder beste Möglichkeit, um zu überleben oder die Lebensqualität wesentlich zu verbessern. Jedes Jahr werden in Österreich etwa 800 Organtransplantationen durchgeführt, mehr als 800 Patientinnen und Patienten stehen hierzulande auf der Warteliste für eine Transplantation. Die Zusammenarbeit mit einem Transplant-Zentrum geschieht auf zweierlei Weise: Vorarlberger Patienten, die auf ein Organ warten, werden im Land in den entsprechenden medizinischen Fächern untersucht und auf die Transplantation vorbereitet. Auch nach einer Transplantation werden die Patienten durch Spezialisten in Vorarlberg in Zusammenarbeit mit dem Transplantationszentrum weiter betreut und kontrolliert.
OA Dr. Wolfgang List, leitender Arzt der Intensivstation, ist der lokale Transplant-Beauftragte am LKH Feldkirch und verantwortlich für den Ablauf von Organspenden am LKH Feldkirch (jährlich 5-10 Organspender). Das nächstgelegene Transplantationszentrum für Vorarlberg ist die Universitätsklinik in Innsbruck. Um das Thema auch im Westen von Österreich wieder aufzugreifen und die Vorarlberger Ärztinnen und Ärzte darüber zu informieren, lädt die Gesellschaft der Ärzte Vorarlberg zu einer Informationsveranstaltung mit hochkarätiger Besetzung und interessanten Themen: Referenten sind Univ.-Prof. Dr. Stefan Schneeberger, Universitätsklinik für Viszeral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, Priv.-Doz. Dr. Julia Dumfarth, Universitätsklinik für Herzchirurgie - beide von der Medizinischen Universität Innsbruck, Prim. Doz. Dr. Stephan Eschertzhuber, Transplant-Referent für West-Österreich, Anästhesie und Intensivmedizin im LKH Hall, sowie OA Dr. Wolfgang List. Neben einem aktuellen Einblick in die Entwicklung der Organspende ist der Stellenwert der Herztransplantation in Zeiten neuer medikamentöser Therapien und Devices ein weiterer thematischer Vortragsschwerpunkt. Den Abschluss bildet ein Ausblick auf mögliche Entwicklungen in der Transplantation.
Zwei Wege der Organspende
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Organspenden durch Lebende oder durch Verstorbene. Bei einer Lebendspende stammen die Organe oder Organteile von einem gesunden, lebenden Menschen, meistens einer verwandten Person des Empfängers. Die Anzahl der für eine Transplantation verfügbaren Organe von verstorbenen Spendern reicht nicht aus, um den Bedarf zu decken. So kann es vorkommen, dass Menschen versterben, während sie auf der Warteliste für ein Organ stehen. Hier wird die Lebendspende als mögliche Behandlungsmethode vor allem bei Nierentransplantationen genutzt. Aber auch eine Lebendspende von Teilen der Leber oder Lunge ist medizinisch möglich (vor allem zwischen Eltern und ihrem noch kleinen Kind). Die Lebendspende ist nicht nur eine Möglichkeit, die Wartezeit auf ein Organ zu verkürzen, sie bietet auch weitere Vorteile für den Empfänger: So kann die Transplantation exakt geplant und treminisiert werden. Auch die Organqualität ist bei einer Lebendspende vielfach höher als bei der Verwendung von Organen von verstorbenen Spendern.
Sensible Situation mit Angehörigen: Darüber reden hilft.
Die Organe von Verstorbenen stammen von Personen, bei denen der Hirntod festgestellt wurde, aber bestimmte Körperfunktionen (z.B. Atmung) noch künstlich aufrechterhalten werden. „Steht eine solche Entscheidung an, sind viele Menschen in den Entscheidungsprozess involviert: Zuallererst sind es die Angehörigen, mit welchen wir reden. Hier hilft es und erleichtert es auch die Entscheidung für die Angehörigen, wenn eine Organspende im Familienkreis schon einmal thematisiert worden ist. Die Auseinandersetzung mit sich selbst: ‚Will ich das für mich selbst, wenn mal was passiert?‘ und die offene Kommunikation über die getroffene Entscheidung sind im Ernstfall für alle Beteiligten sehr hilfreich“, informiert Intensivmediziner OA Dr. Wolfgang List zu diesem emotionalen und nicht einfachen Thema. „Wir entscheiden nie gegen den Willen der Angehörigen, auch wenn die rechtliche Situation es zuließe. Wir haben hier den größten Respekt vor der Trauer um den Verstorbenen – und den damit zusammenhängenden Wünschen der Nahestehenden. Deshalb spielt hier auf Wunsch auch die Seelsorge eine sehr wichtige Rolle.“ Dr. List ist lokaler Transplant-Beauftragter. Zu seinen Aufgaben zählen das Identifizieren von möglichen Organspendern, die Information und Schulungen von LKH-Mitarbeitern, das Umsetzen der vorgegebenen Richtlinien und die Einführung von notwendigen Abläufen im Krankenhaus sowie das Führen der Statistik.
Rechtliche Situation in Österreich im Vergleich
Die österreichische Rechtslage zur Organspende folgt der sogenannten Widerspruchslösung. Diese besagt, dass eine Organentnahme bei einem potentiellen Spender nach Feststellung des Todes grundsätzlich zulässig ist, sofern der Verstorbene nicht schon zu Lebzeiten einer Organspende widersprochen hat – mündlich mit Zeugen oder schriftlich. Höchste Rechtssicherheit bietet die Eintragung des Widerspruchs in das Widerspruchsregister, da Krankenanstalten vor einer Organentnahme bei hirntoten Personen gesetzlich verpflichtet sind, das Widerspruchsregister abzufragen. Die Widerspruchslösung wurde 1978 vom Europarat als Regelung über die Organentnahme bei Verstorbenen empfohlen. Viele europäische Staaten folgten dieser Empfehlung, neben Österreich z.B. Frankreich, Italien, Schweden oder Ungarn. Im Gegensatz dazu steht die Zustimmungslösung (z.B. in der Schweiz), bei welcher die betroffene Person zu Lebzeiten aktiv einer Organspende zustimmt (Spenderausweis).
Für die Lebendspende gelten die Grundsätze der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit. Dabei sollten idealerweise insbesondere Blutgruppe und Gewebemerkmale von Spender und Empfänger übereinstimmen. Eine Lebendspende durch Personen, die unter 18 Jahre alt sind, ist verboten, zudem gibt es noch weitere rechtliche Kriterien. Eine Lebendspende bedeutet einen großen operativen Eingriff an einem völlig gesunden Menschen. Daher darf ein solcher Eingriff nur durchgeführt werden, wenn das Risiko für den Spender in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen für den Empfänger steht.
Eurotransplant: Europäische Organvermittlungs-Organisation verwaltet Wartelisten
In Leiden, in den Niederlanden, ist der Sitz der Stiftung Eurotransplant. Diese Stiftung ist verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern: Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Ungarn und Slowenien. In diesem Einzugsgebiet leben ca. 136 Millionen Menschen. Die Organisation arbeitet eng mit den Organspende-Organisationen, Transplantationszentren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammen. Die Zuteilung von Organen (Allokation) basiert dabei ausschließlich auf medizinischen und ethischen Gesichtspunkten. Die Vorteile der internationalen Zusammenarbeit ergeben sich aus einem gemeinsamen Spender-Meldesystem und einer zentralen Warteliste. Auf der zentralen Warteliste stehen gegenwärtig ungefähr 14.000 Patienten. Diese große Anzahl von Patienten macht es möglich, fast jedes Spenderorgan einem geeigneten Empfänger zuzuordnen. Aufgrund des großen Patientenpools ist häufig das sog. ‘Perfect Match’ möglich.
Eurotransplant bezieht bei der Zuteilung von Organen verschiedene Merkmale, wie z. B. die Blutgruppe und den Gewebetyp des Spenders und des Empfängers, mit ein. Pro Jahr werden durch Eurotransplant ca. 7.000 Spenderorgane erfolgreich vermittelt. Dank der internationalen Zusammenarbeit steigen die Chancen für hochdringliche Patienten, rechtzeitig ein lebensrettendes Organ zu erhalten. Die 81 Transplantationszentren in den Mitgliedsstaaten von Eurotransplant speisen alle wichtigen Merkmale von Patienten, die auf eine Organtransplantation warten, in eine zentrale Datenbank ein.
Sobald ein Spender gefunden ist, werden auch dessen Merkmale in die zentrale Datenbank aufgenommen. Dann beginnt das Rennen gegen die Zeit. Transplantationsexperten kommen in das Krankenhaus des Organspenders, um die Organentnahme durchzuführen. Dann müssen Spenderorgane innerhalb weniger Stunden transplantiert werden. Die reibungslose Organisation von der Zuteilung des Organs bis hin zum Organtransport an den Bestimmungsort ist deshalb wortwörtlich lebenswichtig. Zu diesem Zweck ist die Zentrale von Eurotransplant 7 Tage die Woche, 24 Stunden täglich von qualifiziertem Personal besetzt. Sobald ein Spender gemeldet wird, bestimmt Eurotransplant mit Hilfe eines Computerverfahrens für jedes verfügbare Organ eine Matchliste. Vier allgemeine Prinzipien sind für die Zuteilung von Bedeutung: der erwartete Erfolg nach der Transplantation, die durch Experten festgelegte Dringlichkeit, die Wartezeit und die internationale Organaustauschbilanz.