Notversorgungszentrum steht bereit 26.11.2020
Betreuung von 200 Covid-Patienten mit leichterem Krankheitsverlauf gesichert
In einem Kraftakt ist innert zwei Wochen das Notversorgungszentrum im Dornbirner Messequartier wieder aufgebaut worden. Bei Engpässen im Spitalsbetrieb können hier Covid-19-Erkrankte mit leichterem Verlauf, der allerdings eine stationäre Betreuung erfordert, effizient medizinisch betreut werden. Die Krankenhäuser würden dadurch für die Aufrechterhaltung der Notfallmedizin freigespielt. Aktuell ist die Inbetriebnahme nicht erforderlich.
Als Anfang November das Notversorgungszentrum reaktiviert wurde, stellte sich das Infektionsgeschehen im Land dramatisch dar. Die Neuinfektionen schnellten nach oben, die Spitäler kamen an ihre Grenzen. In den vergangenen Tagen schien die zweite Welle nun etwas abzuebben. „Auch in den Krankenhäusern verzeichnen wir eine leichte Entspannung an Neuaufnahmen von Covid-Erkrankten. Die große Belastung bei Mitarbeitenden und allgemein im Gesundheitssystem ist dennoch sehr spürbar“, sagt Direktor Dr. Gerald Fleisch, Geschäftsführer der Vorarlberger Krankenhaus-Betriebsgesellschaft. Mussten vor einer Woche noch 223 Covid-19-Patienten stationär betreut werden, 44 davon intensiv-medizinisch, sind es aktuell 170, davon 35 auf der Intensivstation. Auch die Zahl abgesonderter Spitalsmitarbeiter geht langsam zurück.
Wäre es nicht gelungen, diese Welle zu brechen, wäre mittlerweile die kritische Zahl an Covid-Patienten im Spital erreicht. „Bei etwa 300 bis 350 Hospitalisierten hätten die Krankenhäuser nicht mehr den nötigen personellen und strukturellen Spielraum, um schwerer erkrankte Patienten versorgen zu können“, verdeutlicht der KHBG-Chef. „Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten wir das Notversorgungszentrum in Betrieb nehmen müssen.“ Seit vergangenem Montag stehen daher in Dornbirn 200 Betten für Covid-Erkrankte mit leichterem Krankheitsverlauf und moderatem Sauerstoffbedarf zur Verfügung. Ihnen kann eine Behandlung in Form einer Sauerstoffzufuhr geboten, allerdings können keine intenensiv-mediznischen Maßnahmen gesetzt werden.
„Überlaufventil“ für Normalstationen
Damit dient das Notversorgungszentrum als eine Art Überlaufventil für die Normalstationen, entlastet jedoch nicht die Intensivstationen. „Die Idee dahinter ist es, Erkrankte mit denselben Beschwerden zusammenzubringen, um mit möglichst geringen Personalressourcen möglichst viele Patienten betreuen zu können“, schildert Primar Dr. Michael Rohde. Als Teil der kollegialen Führung am LKH Bregenz obliegt dem Chefarzt mit Pflegedirektor Bernd Schelling und Verwaltungsdirektor Andreas Lauterer die Leitung der Einrichtung. Konkret ist er für alle ärztlichen und medizinischen Belange zuständig. Operativ zeichnet der Dornbirner Allgemeinmediziner Dr. Robert Spiegel für die medizinische Leitung verantwortlich.
Als sich die Pandemie im Frühjahr ausbreitete, verfassten die beiden Ärzte federführend ein umfassendes medizinisches Handbuch, das als Grundlage für das Notversorgungszentrum diente. Darin wurden alle relevanten Punkte von medizinischen Kriterien für die Aufnahme über das Behandlungskonzept bis zur Organisation des medizinschen Diensts festgelegt. Die personelle Bespielung der Einrichtung auf die Beine zu stellen, sei zweifellos die größte Herausforderung, wenn eine Inbetriebnahme nötig werde, so Dr. Spiegel: „Die Problematik ist, dass in einer großen Welle auch das Krankenhauspersonal minimiert wird, deshalb greifen wir dafür von vornherein auf einen Pool niedergelassener Ärzte zurück.“ Insgesamt stünden derzeit rund rund 25 Allgemeinmediziner und Internisten bereit. Die Personalplanungen sehen tagsüber einen niedergelassener Mediziner als hallenverantwortlicher Arzt vor. Die Spitäler stellen einen Arzt zur Unterstützung im Tagdienst sowie einen Arzt für den Nachtdienst.
Krankenpflegeschüler im Einsatz
Auch im Bereich der Pflege wurde eine gute Lösung gefunden. „Diplomiertes Pflegepersonal aus allen Krankenhäusern übernimmt den so genannten gehobenen Dienst“, informiert Pflegedirektor Bernd Schelling. „Zusätzlich haben wir eine Struktur mit Helfern aufgebaut, bestehend aus Auszubildenden der Krankenpflegeschule.“ Auf je 50 Patienten kommt eine Pflegekraft aus dem gehobenen Dienst, die insgesamt vier Helfer koordiniert. Ein umfassendes Sicherheitskonzept gewährleistet dabei den reibungslosen, sicheren Ablauf. Außerdem sind Abteilungshelferinnen für die Versorgung mit Essen und Getränken eingeplant, ähnlich dem „Stockdienst“ im Krankenhaus, ebenso Reinigungskräfte.
Schelling hatte in den vergangenen Woche alle Hände voll zu tun. Im Messequartier war er nicht nur für Pflegeorganisation und Dienstplanung, sondern gesamthaft für die Inbetriebnahme verantwortlich. Dazu gehörten vielfältigste Aufgaben von Behördenabnahmen über das Evakuierungskonzept bis zur Technik. Beispielsweise wurde ein Notfallraum installiert, in dem Patienten, deren Zustand sich rapide verschlechtert, intubiert und bis zur Überführung ins Krankenhaus adäquat versorgt werden können. „Natürlich haben wir auch einen technischen Dienst. Dessen wichtigste Aufgabe ist es, die Sauerstoffversorgung zu überwachen“. Für den Fall der Fälle gebe es auch ein Ausfallkonzept, das die Versorgung der Patienten sicherstelle, so der Pflegedirektor.
Patienten- und Arbeitssicherheit im Fokus
Vor allem mit Organisatorischem rund um das Notversorgungszentrum beschäftigte sich Andreas Lauterer. Der Verwaltungsdirekter am LKH übernahm den Austausch zwischen den vielen Beteiligten und war in der Beschaffung gefordert. Gerade eine funktionierende Logistik sei bei diesem Projekt eine Herausforderung: „Denn es gibt so viele Details außerhalb des Radars, die berücksichtigt werden müssen: von der Organisation von Medikamenten von Grunderkrankungen der Patienten über die Wäscherei bis zur Entsorgung infektiöser Abfälle.“ Hervorheben möchte Lauterer, dass „alles Menschenmögliche“ getan wurde, um die Standards in Bezug auf Patienten- und Arbeitssicherheit auch in dieser Ausnahmesituation sicherzustellen.
Vergleich mit Spital unzulässig
Jeden Vergleich mit einem Krankenhaus hält Chefarzt Michael Rohde dennoch für unzulässig, sowohl was die Ausstattung als auch therapeutische und diagnostische Möglichkeiten betrifft. „Die Patienten werden zwar gut überwacht und versorgt, doch eines muss uns allen bewusst sein: Wenn das Notversorgungszentrum in Betrieb geht, befinden wir uns in einer klassischen Katastrophensituation, in der auch schon die Triage angewendet werden muss.“
Technisch betriebsbereit wird das Notversorgungszentrum bis auf Weiteres zur Verfügung stehen, um für eine nicht auszuschließende dritte Welle gerüstet zu sein. Mit einem Vorlauf von drei bis vier Tagen ließe sich der Betrieb im Krisenfall hochfahren. Doch geben die angekündigen Massentestungen und insbesondere die Aussicht auf einen baldigen Impfschutz Anlass zur Hoffnung, dass es auch diesmal nicht soweit kommen wird.