LKH Feldkirch: Appleby-Methode - seltene Pankreaskarzinom-Resektion erfolgreich durchgeführt 29.09.2018
- Appleby-Methode: Erweiterung des OP-Angebots in der Chirurgie
- Patientensicherheit durch Expertise und Vernetzung der Disziplinen
In Vorarlberg wird bei ca. 60 Patienten pro Jahr die Diagnose “Bauchspeicheldrüsen-Krebs” gestellt. Das Karzinom ist aggressiv, die Therapie herausfordernd. Nun hat Chirurg Prim. Prof. Dr. Ingmar Königsrainer bei einem 65jährigen Patienten eine äußerst seltene Operationsmethode zur Entfernung eines lokal fortgeschrittenen Pankreas-Karzinoms angewendet, ohne eine risikobehaftete Rekonstruktion der Leberarterie durchführen zu müssen. Der Eingriff war erfolgreich, dem Patienten geht es heute gut. Voraussetzung waren das Zusammentreffen verschiedener Kriterien beim Patienten selbst, die Erfahrung des Chirurgen sowie das gute Zusammenspiel der medizinischen Disziplinen und die Infrastruktur eines medizinischen Zentrums, wie sie das Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch vorweist.
Patient Herr Gerhard D. hatte im April 2018 die Diagnose Pankreaskarzinom erhalten. Die einzig potenziell heilende Therapie ist die Operation. „Ist der Krebs allerdings - wie bei Herrn D. - lokal in fortgeschrittenem Stadium und hat bereits die sog. Bauchhöhlenstamm -(Anm. Truncus Coeliacus - Arterie zur Blutversorgung von Leber, Magen, Milz und Bauchspeicheldrüsenschwanz) befallen, wird der Zustand zumeist als inoperabel klassifiziert“, erklärt Prim. Prof. Dr. Ingmar Königsrainer, Leiter der chirurgischen Schwerpunktabteilung am LKH Feldkirch.
Potentieller Überlebensvorteil: Entscheidung für Appleby-OP-Methode
Prof. Königsrainer hat Erfahrung mit dieser besonderen OP-Methode, die zwar bereits in den 50er Jahren in den USA beim fortgeschrittenen Magenkarzinom entwickelt wurde, aber nur in hochspezialisierten Zentren - und dies auch nur sehr selten - durchgeführt wird. Im medizinischen Fachjargon heißt sie Appleby-Operation - nach ihrem Erstbeschreiber Dr. LH. Appleby. Ihre Anwendung bedeutet für Patienten, die dafür in Frage kommen, eine potentielle Verlängerung der Lebenszeit. Bei Patient Herrn D. trafen alle Entscheidungskriterien für Appleby zu: Aufgrund des Krebsbefalls war eine radikale Operation nötig - und zwar mit der Entfernung des Bauchspeicheldrüsenkörpers und -schwanzes gemeinsam mit dem Truncus Coeliacus. Hinweise auf Metastasenbildung gab es keine, und der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten war sehr gut. Mit diesen Voraussetzungen kam er prinzipiell für die Methode in Frage - es wurde ein individuelles Therapiekonzept für Herrn D. erstellt.
Alternative Blutversorgung gewährleistet - kranke Arterie entfernt
Das Besondere an der Appleby-Methode ist die vollständige Resektion (Entfernung) der mit Krebs befallenen Bauchspeicheldrüse und des ebenfalls infiltrierten (befallenen) Bauchhöhlenstammes ohne Arterienrekonstruktion. Diese kann insbesondere in der Pankreaschirurgie sehr riskant sein, falls z.B. postoperativ eine Komplikation auftritt. „Zuerst haben wir bei der Operation die vom Krebs befallene Versorgungsarterie/den Bauchhöhlenstamm nur abgeklemmt, um zu prüfen, ob die Blutversorgung über einen Umgehungsweg - über die gesunde natürliche Kollateralarterie, der sog. Arteria gastroduodenalis - gewährleistet wird. Dann haben wir den arteriellen Blutfluss an der Leberpforte mittels Ultraschall gemessen“, beschreibt Prof. Königsrainer die OP Methode. Bei Herrn D. hat war diese Kollateralarterie gesund und stark genug vorhanden, sodass die Blutversorgung einwandfrei funktionierte. „Wir konnten also das befallene Krebsgewebe komplett entfernen und die Blutversorgung der Leber und anderen Organe ohne eine risikoreiche arterielle Gefäßrekonstruktion aufrechterhalten“, freut sich der Chirurg für Herrn D. Die Vorbereitungen auf die Operation starteten bereits im April: Der Patient musste sich zuerst einer Chemotherapie unterziehen, um den Tumor auf eine operable Größe zu bringen. Die ca. dreistündige Operation selbst fand Mitte September statt. Nach der Operation verbrachte Herr D. einige Tage auf der Intensivstation und noch eine Woche auf Normalstation. Um restliche, potenziell verbliebene Tumorzellen unschädlich zu machen, erfolgt Ende des Jahres noch eine Bestrahlungstherapie. Prof. Königsrainer: „Herr D. kann jetzt alles essen und trinken, er hat keine Schmerzen mehr. Nun ist es wichtig, dass er rasch wieder in den normalen Rhythmus des täglichen Lebens zurückkehrt.“
Vorteil Schwerpunktzentrum: alle Disziplinen unter einem Dach
Eigentlich hat es sich bei der Diagnose von Herrn D. um einen Befund gehandelt, den viele Chirurgen als nicht operabel klassifizieren. Dank der guten Zusammenarbeit, der fächerübergreifenden Beratung und der vorhandenen Expertise und Infrastruktur konnte Herr D. trotzdem operiert werden - und es geht ihm heute gut, er hat keine Schmerzen mehr. Von der Diagnosestellung über die Behandlungsstrategien bis zur Operation und anschließenden Bestrahlung - sowie der Beschaffenheit des Tumors und dem körperlichen Gesamtzustand von Herrn D. - waren die Voraussetzungen für diesen seltenen Eingriff gegeben: Chirurgin Frau OÄ Dr. Elisabeth Antonietti von LKH Bludenz war im April 2018 nach einer Magen-Darm-Spiegelung hellhörig und veranlasste weitere Untersuchungen. Der Befund lautete leider: Pankreaskarzinom. Die Onkologen Prim. Doz. Dr. Holger Rumpold und OA Doz. Dr. Thomas Winder haben dann den Tumor kategorisiert. Im Rahmen des Tumorboards wurde der Patient dem Behandlungsteam vorgestellt bzw. Rücksprache über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten gehalten. Der Eingriff mit vorhergehender Chemotherapie wurde beschlossen. Diese großen Tumor-Operationen an Leber und Pankreas werden am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch vom chirurgischen Team rund um Prim. Prof. Dr. Königsrainer und dem das anästhesiologischen Team mit Prim. Doz. Dr. Reinhard Germann vorgenommen. Für die Bestrahlung im Anschluss an die Operation ist die Radioonkologie unter Leitung von Prim. Doz. Dr. Alexander De Vries zuständig. Auch für potenzielle Risiken während der Behandlung im Krankenhaus, insbesondere in der Leber und Pankreaschirurgie, müssen die Voraussetzungen und kurze Wege zu anderen, eventuell notwendigen Disziplinen wie z.B. die interventionelle Radiologie und Endoskopie, die Gefäßchirurgie, eine entsprechende Intensivstation etc. vorhanden sein. Nur so kann auch im Falle einer Komplikation adäquat und rasch reagiert werden. „Die positive Einstellung von Herrn D. und seiner Frau und das gegenseitige Vertrauen sind während des gesamten Behandlungsprozesses wichtig und haben ebenfalls viel zum Erfolg beigetragen“, betont Prof. Königsrainer und freut sich über den gelungenen Eingriff.