„Trauma-Lounge“: erfolgreiche Ärztefortbildung Unfallchirurgie Feldkirch 15.06.2018
Großschadensereignisse wie etwa Naturkatastrophen oder Unfälle, Brandereignisse oder gar gezielte Gewalt bei terroristischen Anschlägen stellt unsere Gesellschaft und unser Gesundheitssystem vor extreme Herausforderungen. In so einem Ernstfall müssen viele Betroffene gleichzeitig und adäquat behandelt werden. Die Bergung und der geordnete Transport ins richtige Krankenhaus, die richtige Priorisierung der Aufgaben und die operative Versorgung vieler Schwerverletzter, aber auch die Information der Angehörigen müssen organisiert sein. Wie Mediziner selbst mit solchen Ausnahmesituationen umgehen bzw. was Ärzte von erfahrenen Notfallexperten lernen können, war Thema der „Trauma-Lounge“, einer interdisziplinären Fortbildung im Montforthaus.
Die Patientenversorgung in Ausnahmesituationen wie Großschadensereignisse stellt auch die Medizin vor Herausforderungen. Denn der reibungslose Ablauf will geübt sein - nicht nur organisatorisch im Katastrophenmanagement, sondern auch in der medizinischen Expertise und Zusammenarbeit mit allen beteiligten Disziplinen. Diese muss für die adäquate Behandlung von Betroffenen und Opfern einer solchen Katastrophe auch unter widrigsten Umständen reibungslos funktionieren. Bei der sog. Trauma-Lounge, einer Fortbildungsreihe der Unfallchirurgie im LKH Feldkirch, waren genau diese Herausforderungen Thema für die rund 200 Anwesenden, vorwiegend Notfallmediziner, Anästhesisten und Intensivmediziner, Unfallchirurgen und Orthopäden. Die Veranstalter - die Gesellschaft der Ärzte in Vorarlberg und die Abteilung für Unfallchirurgie des Akademischen Lehrkrankenhauses Feldkirch - hatten ins Montforthaus Feldkirch geladen. Zielgruppe waren alle Ärztinnen und Ärzte des niedergelassenen und Spitalsbereiches, alle kollegialen Führungen aus den Landeskrankenhäusern der Vlbg. Krankenhaus-Betriebsgesellschaft und des KH Dornbirn, Pflegekräfte, alle Blaulichtorganisationen sowie das Militärkommando Vorarlberg sowie ein Vertreter des Bundesministeriums.
Katastrophenmanagement: Qualifikation in der Bewältigung von Notfallsituationen
Von der Alarmierung über die Bergung am Notfallort, von den der Behandlung vorgeschalteten Triage-Mechanismen (Triage: Einstufung des Verletzungsgrades) bis zur Koordination von Zeitpunkten, Orten und handelnden Personen innerhalb der Erstbehandlungseinrichtungen existieren im Katastrophenfall eine Vielzahl sensibler Schnittstellen. Speziell auf den Bereich der Medizin und Pflege umgelegt sind hier z.B. die Organisation der präklinischen Versorgung der Opfer, die Krankenhausaufnahme, die Triage, die Vorbereitung des Operationsbereichs, die Durchführung von Notfallmaßnahmen oder intensivmedizinisches Management, die Krisenintervention oder die strategischen Informationsflüsse gemeint. „Die multiprofessionellen Teams brauchen besonders in so einem Extremfall die chirurgische Sicherheit und vielseitige nicht-medizinische Unterstützung. Je nach Ursache der Katastrophe - wie etwa beim Amoklauf in Nenzing - haben natürlich auch intra- und interpersoneller Stress durch Erfahrungsmangel, Hektik aus spürbarer Versorgungsinsuffizienz und besondere Begleitumstände eine beeinflussende Rolle bei der Patientenbehandlung“, führen Veranstalter Prim. Doz. Dr. René El Attal, Unfallchirurgie LKH Feldkirch, und OA Doz. Dr. Michael Osti, Gesellschaft der Ärzte Vorarlberg, aus. Dieser Thematik werde derzeit bei jedem Mediziner-Kongress erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt. „Gutes Katastrophenmanagement ist abhängig von Organisation, Ressourcen und guter Zusammenarbeit. Gefragt sind die Fähigkeiten und die Qualifikation in der Bewältigung unübersichtlicher und ungewöhnlicher Notfallsituationen. Dies gilt auch im Bereich des Katastropheneinsatzes von Ärzten: Es geht um höchste Anforderungen an humane Ressourcen, Material und die gute organisatorische Aufstellung. Nur durch gute Vorbereitung können auch wir Mediziner unseren Wirkungsgrad erhöhen. Wir haben daher als Symposiumsschwerpunkt das Thema Katastrophenmanagement gewählt, um hier im Austausch voneinander zu lernen und den einen oder anderen unserer Prozesse zu verbessern.“
Ein Plan für erfolgreiches Katastrophenmanagement
Worauf es bei der Patientenbehandlung nach einer Katastrophe ankommt, fasst Prim. Doz. Dr. El Attal so zusammen: „Im Falle einer Alarmierung ist es für die betreffenden Ärzte im Krankenhaus wichtig nach einem vorher festgelegten Plan vorzugehen. Das schafft Sicherheit und Ordnung angesichts ungewisser Herausforderungen. Anfangs ist sozusagen eine Checkliste abzuarbeiten. Die Alarmierung wird ausgelöst und zusätzliches ärztliches und Pflegepersonal wird angefordert. Das Krankenhaus wird sofort räumlich umfunktioniert und vorher abgesprochene Bereiche werden von den Einsatzfahrzeugen angefahren. Leichtverletze Patienten werden in einen anderen Bereich umgeleitet. Auch werden Zonen für Angehörige eingerichtet. Die eintreffenden Patienten werden von zwei erfahrenen Ärzten eingestuft und die weitere Diagnostik bzw. operative Versorgung den Ärzteteams zugeteilt. Entscheidend ist es, die Übersicht über die Patienten zu wahren, wozu ein so genanntes Routing System eingerichtet wird. Wichtig sind die erfolgreiche Bildung von Teams und die Koordinierung ihrer Aufgaben bis zur guten Versorgung der Patienten. Danach wird dieses Team wieder frei für die nächste Aufgabe, und zwar so lange, bis alle Betroffenen versorgt sind.“
Namhafte Referenten berichteten über internationale Einsätze
Die Referenten waren mit Bedacht ausgewählt und bildeten eine renommierte internationale Faculty, die sich über viele Jahre mit dem organisatorischen, strukturellen und chirurgischen Management von Großschadensereignissen beschäftigt.
Dr. Yoram Weill vom Hadassah Medical Center in Jerusalem, Israel teilte seine Erfahrung aus zahlreichen militärischen und terroristischen Krisensituationen in Israel. Die Versorgung schwerer Verletzungen stand im Schwerpunkt seiner Ausführungen.
Dr. Björn Hossfeld vom Militärkrankenhaus in Ulm verfügt über persönliche Erfahrungen bei Kriegsschauplätzen in Afghanistan und sprach über die besonderen Herausforderungen, die Patienten vom Unfallort sicher ins Krankenhaus zu bringen.
Dr. Iain Mc Fadyen, University Hospital of North Staffordshire, Großbritannien, referierte über die klinische Organisation von der Triage bis zum Operationssaal. Er zeigte auf, nach welchen Kriterien Patienten besonders dringlich dem Operationssaal oder der Intensivstation zugeteilt werden müssen.
Konkrete Learnings aus dem Vorfall in Nenzing
Notfallmediziner Dr. Peter Spöttl vom LKH Feldkirch fasste in seinem Vortrag „Lessons learned from the Nenzing Incident 2016“ die Erfahrungen aus den Ereignissen rund um den Amoklauf 2016 zusammen: „Was wir für die Zukunft aus Nenzing gelernt haben, ist, dass wir die Katastrophenpläne adaptiert haben und medizinische Disziplinen, die vorher nicht im Alarmierungsplan standen, nun mitalarmiert werden. Ein weiteres Learning für uns und unsere Notfallteams war, dass wir - sobald in so einer Ausnahmesituation die Sicherheit durch die Polizei gegeben ist - den Begriff ‚Amok‘ vergessen müssen. Für uns gilt, dass es sich um einen Unfall mit mehreren Verletzten handelt, die wir behandeln. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass im Krisen- oder Katastrophenfall - egal mit welcher Ursache - ein Missverhältnis zwischen Angebot an Behandlern und Nachfrage durch die Vielzahl an Opfern herrscht, das es zu kompensieren gilt.“
Trauma Lounge - Expertenfortbildung der Unfallchirurgie
Im Jahr 2017 riefen die Gesellschaft der Ärzte Vorarlberg mit Präsident OA Doz. Dr. Michael Osti, MBA, und Prim. Doz. Dr. René El Attal eine Fortbildungsreihe von Unfallchirurgie am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch ins Leben, mit großem Erfolg: „Unser Wunsch, die beiden chirurgischen Disziplinen in einer gemeinsamen Fortbildungsinitiative zu vereinen, ihre kollegiale Verbindung und Identität zu stärken und fachlich relevante und informative Inhalte anzubieten trägt Früchte: Schon fast 300 Ärztinnen und Ärzte sind unseren Einladungen bisher gefolgt”, freut sich Dr. Osti. Die aktuelle Veranstaltung zum Katastrophenmanagement im Montforthaus war mit rund 200 Besuchern der bisherige Höhepunkt der Veranstaltungsreihe.