Ethik-Tagung der Arbeitsgruppe Viaticum am LKH Rankweil 30.04.2018
Wenn eine nahestehende Person krank wird, sind es auch oft die Angehörigen, die eine tragende Rolle in der Behandlung und als seelische Stütze im Heilungsprozess oder Krankheitsverlauf haben. Deshalb hat die AG Viaticum sie nun bei der diesjährigen Ethikveranstaltung am LKH Rankweil in den Mittelpunkt gestellt. Namhafte Ethikexperten beleuchteten das Thema „an-gehörig“ aus verschiedenen Perspektiven für die über 200 interessierten Ärzte, Pflegepersonen, Seelsorger und Hospizmitarbeiter im Publikum. „‚Ghörig angehörig‘ widmen wir der wichtigen Säule und Unterstützung für kranke Menschen - ihren Angehörigen“, erklärt Veranstalter DGKP Arthur Bertsch die Motivation zum Thema.
Die diesjährige Ethikveranstaltung der AG Viaticum hat sich einem ungewöhnlichen, aber nicht minder wichtigen Thema im Umgang mit Krankheit und ihrem Verlauf gewidmet - nämlich den Angehörigen und ihrer Rolle der Begleitung eines kranken Menschen. Ins LKH Rankweil geladen waren bekannte Referenten, sodass die Fachtagung bereits seit langem ausgebucht war. Die Eröffnung nahmen Dir. Dr. Gerald Fleisch, Vlbg. Krankenhaus-Betriebsges.m.b.H., und Chefarzt Prim. Dr. Jan Di Pauli sowie Veranstalter DGKP Arthur Bertsch, Viaticum, vor. Als Auftakt zur Fachtagung las der bekannte Vorarlberger Autor Michael Köhlmeier Grimms Märchen „Gevatter Tod“ - der auf die Anfrage eines Vaters, ob er nicht Pate für dessen 13. Kind werden wolle, antwortete: "Ich will dein Kind beruehmt machen, denn wer mich zum Freunde aht, dem kanns nicht fehlen." Und Gevatter Tod war dem Sohn, später der beruehmteste Arzt der ganzen Welt, ein guter Pate. Er sagte dem Arzt Tod oder Leben seiner Patienten voraus, als Patengeschenk gab der Tod dem Arzt ein Kraut zur Unterstützung des Lebens.
Wider die Übertherapie - das Leben ist endlich
Im Anschluss referierte Medizinethikerin Univ.-Prof. Dr. Barbara Friesenecker von der Medizinischen Universität Innsbruck über medizinethische Herausforderungen am Lebensende. „Wenn Patienten, die von uns Ärztinnen und Ärzten und Pflegepersonen aufwendig betreut waren, sterben, macht uns das Angst. Denn: Wir werden in unserer Ausbildung darauf trainiert, Leben zu retten und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln technisch oder medikamentös zu erhalten“, fasst sie die Konfrontation mit dem Tod eines Patienten zusammen. „Wenn aber der Zustand von Patienten sich trotz unserer maximalen therapeutischen Bemühungen verschlechtert und er oder sie verstirbt, denken wir an ärztliches Versagen, statt anzuerkennen, dass das Leben endlich ist und die gute ärztliche Begleitung eines Sterbenden eine sehr erfüllende Aufgabe sein kann.“ Diese Haltung würde sowohl dem Sterbenden als auch den Angehörigen Stress und Angst nehmen und erspare viel Leid, so die anerkannte Medizinethikerin. "Übertherapie ist das Resultat ungebremster, technischer Medizin ohne klare Indikationsstellung und führt zum Krankheitsbild der chronisch kritischen Erkrankung.“ Die Expertin stellte sowohl Wege vor, um eine solche Übertherapie zu vermeiden als auch die dafür notwendige ethische Grundregeln - was ist erlaubt, was nicht?
Kommunikation und Entscheidungen angesichts schwerer Erkrankungen
Als „Wanderung durch Leben, Liebe und Tod“ bezeichnet Dr. Raoul Pinter, Radioonkologie LKH Feldkirch, die „Kommunikation mit Schwerstkranken, Sterbenden und deren An- und Zugehörigen. Hier sind wir auf eine gute Wahrnehmung mit all unseren Sinnen angewiesen. Es braucht Respekt, Echtheit, Einfühlungsvermögen, um liebevoll, wirk- und heilsam miteinander zu reden“, beschreibt Dr. Pinter eindrücklich die Grundpfeiler eines guten Gesprächs mit Patienten und Angehörigen.
In Doppelkonferenz referierten im Anschluss der Neurologe OA Dr. Dieter Langenscheidt vom LKH Rankweil und der erfahrene und langjährige Krankenhaus-Seelsorger Dr. Peter Rädler über die Rolle der Angehörigen bei Entscheidungen bei neurologischen Erkrankungen mit Prognosen, dass eine Heilung nicht möglich und mit dem Tod zu rechnen ist.
Pflege als Wegweiser: An-gehörig, wohin gehöre ich?
Angehörige von schwersterkrankten Menschen finden sich in der Palliativversorgung in einer Doppelrolle wieder. Sie sind zum einen Partner der Betroffenen und zumeist zeitgleich Partner in einem Betreuungssystem. Über die Grenzen dieser Doppelrolle und eine oftmalige Ohnmacht als Verlust der Orientierung berichtete DGKO Stefanie Zimmermann von der Palliativstation am LKH Hohenems. Sie bot Hilfestellungen dafür, betroffenen Angehörigen wegweisende und haltende Orientierung zu geben. Psychotherapeut Dr. Michael Wenz vom Alzheimer Therapiezentrum der Schön Klinik Bad Aibling - dem führenden Rehabilitationszentrum für Demenzkranke in Deutschland - stellte ein Behandlungskonzept für Betroffene und deren Angehörige im Rahmen einer stationären Rehabilitationsmaßnahme vor. Demenzkranke und Betroffene werden gemeinsam aufgenommen, um die Familie auf das weitere Leben mit der Demenzerkrankung optimal vorzubereiten. Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Theaterprojekt von Christine Reitmeier & Liza Riemann mit dem Titel „Ich erinnere mich genau“, eine Lebensgeschichte mit einer Demenzerkrankten.