Erster Ausbildungsverbund Allergologie Vorarlberg 16.08.2023
Vorarlberger LKH übernehmen Vorreiterrolle
Mediziner:innen in Österreich, die im Bereich „Allergologie“ tätig sein wollen, müssen künftig eine 18-monatige Spezialisierung im Anschluss an ihre Facharztausbildung absolvieren. So will es eine neue Ausbildungsregelung, die seit gut einem Jahr in Kraft ist. In der derzeitigen Übergangsphase können Ärzt:innen mit großer allergologischer Expertise einen Antrag auf Anerkennung stellen. Berechtigt dazu sind Fachärzt:innen der „Quellfächer“ Dermatologie, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Pädiatrie, Pulmologie, Innere Medizin, Klinische Immunologie, Arbeitsmedizin sowie Allgemeinmedizin. Bereits anerkannte Spezialist:innen aus diesen unterschiedlichen Fachrichtungen sind dazu aufgerufen, sich zu Ausbildungsverbünden zusammenzufinden, um gemeinsam zertifizierte Ausbildungsstätten umzusetzen. Und genau das ist nun den Vorarlberger Landeskrankenhäusern mit der Zertifizierung zu einem interdisziplinären Ausbildungsverbund gelungen.
„Als Ausbildungsverbund Allergologie Vorarlberg nehmen wir eine österreichweite Vorreiterrolle ein“, freut sich Prim. Univ.-Prof. Dr. Robert Strohal. Der Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch zeichnet zusammen mit den Spezialist:innen aus drei weiteren Fachabteilungen für die Organisation der neuen Lehrtätigkeit verantwortlich.
Zusätzlich 18 Monate Spezialisierung
Hintergrund für die Einführung der neuen Ausbildungsregelung ist das Bestreben, die große fachliche Breite der Allergologie abzudecken und noch spezifischer behandeln zu können. Immerhin leiden hierzulande 15 bis 20 Prozent aller Menschen an irgendeiner Form von Allergie. Für diese Patient:innen stellt die Spezialisierung eine maximale Versorgungsqualität sicher und sei, so der Fachmann, „durchaus auch Ausdruck eines zunehmenden Trends innerhalb der Europäischen Union“.
In Österreich gibt es keine dezidierten Fachärzt:innen für Allergologie. Sprich: in der medizinischen Ausbildung ist dafür keine eigene Fachrichtung vorgesehen. Um Allergie-Patient:innen haben sich bislang Fachärzt:innen für Dermatologie, HNO-Krankheiten, Lungenheilkunde sowie für Kinder- und Jugendheilkunde gekümmert, die in ihrer Facharztausbildung den Bereich „Allergologie“ gelernt haben.
Dies ist künftig nun nicht mehr ausreichend. Nur wer zusätzlich die neue 18-monatige Spezialisierungsausbildung absolviert, darf auch als Allergolog:in arbeiten.
Bundesweiter Vorreiter
„Im gesamten österreichischen Bundesgebiet sind wir in den Vorarlberger LKH die ersten, die als Mitarbeiter:innen eines allgemeinen, öffentlichen Klinikverbundes die Zertifizierung erhalten haben, den Allergolog:innen-Nachwuchs auszubilden. Vorarlberg ist damit bundesweiter Vorreiter. Unsere Leistungen im Bereich der Allergologie haben – nun auch offiziell nachgewiesen – ein so hohes Niveau, dass wir unser Wissen als zertifizierter Lehrverbund an die künftigen Spezialist:innen weitergeben dürfen“, kündigt Prim. Dr. Robert Strohal an.
Die in der Allergologie tätigen Mitarbeiter:innen in den Vorarlberger Landeskrankenhäusern mussten dafür hohe Expertise- und Spezialleistungskriterien nachweisen: „Wir mussten unter anderem eine bestimmte Höhe an Fallzahlen, die Durchführung spezieller Untersuchungen sowie bestimmte Zahlen an Diagnosen vorlegen. Diese Kriterien haben alle, die nun für unseren Verbund lehren, auf Anhieb erfüllt“, kann Primar Dr. Strohal zurecht stolz verkünden.
Auf der Dermatologie im LKH Feldkirch sind damit drei Fachärzt:innen ausbildungsberechtigt, in der HNO-Abteilung in Feldkirch sind es fünf und die Pulmologie am LKH Hohenems sowie die Pädiatrie am LKH Feldkirch stellen jeweils einen zertifizierten Lehrenden. Sie alle haben das Spezialisierungsdiplom Allergologie der Österreichischen Ärztekammer und können somit junge Fachärzt:innen im Gebiet der Allergologie kompetent ausbilden.
Neue Regelung zwingt zur Spezialisierung
Die neue Ausbildungsregelung lässt eine Übergangsphase zu, die in voraussichtlich zwei bis maximal fünf Jahren zu Ende gehen wird. Die exakte Dauer ist noch nicht endgültig festgelegt. Diese Frist soll dafür sorgen, dass die Behandlung von allergiegeplagten Menschen gewährleistet bleibt, bis die ersten zertifizierten Spezialist:innen ihren Dienst antreten können.
- Für bereits praktizierende Fachärzt:innen bedeutet das:
„Mediziner:innen, die in den genannten Quellfächern tätig sind und eine entsprechende, mehrjährige Erfahrung im Bereich der Allergologie nachweisen können, sind aufgefordert, in dieser Übergangszeit einen Diplomantrag zu stellen. Nur dann dürfen sie auch weiterhin in der Allergologie tätig sein“, erklärt Primar Dr. Strohal. Wenn diese Ärzt:innen nicht nachweisen können, dass sie durch eine vorgegebene Mindesthöhe an Fallzahlen auf dem Gebiet der Allergologie sowie genau definierten Fort- und Weiterbildungen zertifiziert sind, dann ist es ihnen nach Ablauf der Frist nicht mehr erlaubt, im Bereich der Allergologie zu praktizieren.
- Für Nachwuchsärzt:innen, die im Bereich Allergologie tätig sein wollen, bedeutet das:
Nach ihrer abgeschlossenen Ausbildung zu Fachärzt:innen müssen sie sich noch zusätzlich über 18 Monate hinweg spezialisieren – auch wenn sie in ihrer Facharztausbildung bereits die Allergologie absolviert haben.
Ausbildung im Rotationsprinzip
Die Spezialisierung im „Ausbildungsverbund Allergologie Vorarlberg“ erfolgt für die Jungärzt:innen im Rotationsprinzip, die 18 Monate werden nach einem bestimmten Schlüssel unter den beteiligten Abteilungen aufgeteilt. Angedacht sind sechs Monate im „Ursprungsfach“ sowie weitere sechs Monate aufgeteilt in zwei weiteren allergologischen Fachambulanzen.
Die dafür nötige Infrastruktur steht bereits bzw. ist im Aufbau begriffen. „Wir könnten also noch heuer mit der Spezialisierungsausbildung beginnen, bzw. ganz bestimmt dann, wenn die ersten Fachärzt:innen, die sich für die Allergologie interessieren, mit ihrer Basisausbildung fertig sind“, ist Prim. Dr. Strohal zuversichtlich.
Verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit
„Die Ausbildung im Rotationsprinzip wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit weiter stärken“, bekräftigt Oberärztin Dr. Michaela Ranta. Sie hat die Ausbildungsleitung „Allergologie“ in der Abteilung für „Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie“ am LKH Feldkirch übernommen. „Die Patient:innen werden von den fachübergreifenden Kompetenzen der zukünftigen Allergiespezialist:innen profitieren.“ Als Fachfrau sieht sie in der HNO-Allergieambulanz unter anderem Patient:innen mit allergischen Reaktionen auf Bienen- und/oder Wespenstiche, Patient:innen mit klassischen „Heuschnupfen“-Beschwerden wie rinnender Nase, Niesreiz und tränenden Augen, aber auch Patient:innen mit allergischen Symptomen in der Mundhöhle beim Verzehr bestimmter Lebensmittel (z.B. Erdbeeren, Äpfel und Nüsse), dem sogenannten „oralen Allergiesyndrom“: „In unserer Allergieambulanz werden die Patient:innen zu Beschwerden und möglichen Auslösern der Symptome genauestens befragt. Dann erfolgt ein sogenannter Prick-Test auf der Haut des Unterarmes, bei dem Lösungen mit definierten Allergenen aufgetropft werden und die Haut angeritzt wird. Außerdem können im Blut bestimmte Antikörper gegen Allergie auslösende Substanzen bestimmt werden.“ Je nach (Labor-)Testergebnis und Behandlungsplan kann die weitere Therapie durch eine:n niedergelassene:n Fachärzt:in oder in der HNO-Ambulanz am LKH Feldkirch erfolgen. Zeigen sich Hinweise auf eine Arzneimittel- oder eine Lebensmittelallergie, werden die Patient:innen in der Abteilung für Dermatologie weiterbetreut. „Auch in der Behandlung von Kindern und Jugendlichen werden wir die jetzt schon gute Zusammenarbeit im Zuge der Ausbildungsrotation vertiefen“, ist sich OÄ Dr. Michaela Ranta sicher.
„Allergien im Vormarsch“
Denn auch bei den Jüngsten sind „Allergien im Vormarsch“, erklärt OA Dr. Wolfgang Stelzl, Allergieexperte auf der Abteilung für „Kinder- und Jugendheilkunde“ am LKH Feldkirch. „Dank neuer diagnostischer Verfahren und Immuntherapien sind die Behandlungsmöglichkeiten umfassend. Die Kinder- und Jugendheilkunde deckt ein breites Altersspektrum von Null bis 18 Lebensjahren ab und ist dadurch mit der Fülle an möglichen allergischen Reaktionen konfrontiert.“
Dementsprechend umfassend sind die angebotenen Abklärungs- und Behandlungskonzepte. Dazu zählen u.a. Haut- und Provokationstestungen, Auswertungen komplexer Komponententests, Lungenfunktionstestungen, Bronchoskopien, Ultra-Rush-Behandlungen von Bienen- und /oder Wespengiftallergien sowie erweiterte immunologische Abklärungen. OA Dr. Stelzl ist überzeugt: „Der Kompetenzverbund bietet für die Bevölkerung Vorarlbergs große Vorteile. Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten werden unter den Fachärzt:innen ausgetauscht. Die Patient:innen profitieren letztlich von systematisch und umfassend ausgebildeten Allergolog:innen. Es ist wie beim Einkaufen: Was draufsteht, muss auch drin sein!“
Häuserübergreifendes Konzept
Liegt ein allergisches Asthma vor, profitieren die allergiekundigen Teams in Feldkirch wiederum von der intensivierten Zusammenarbeit mit den Allergiespezialist:innen der Abteilung für Lungenheilkunde am Landeskrankenhaus Hohenems. Der dortige Primar und Ausbildungsleiter „Allergologie", Dr. Peter Cerkl betont: „Allergologie ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Pneumologie. Allen voran das allergische Asthma, aber auch andere Erkrankungen wie zum Beispiel die exogen allergische Alveolitis und die allergische bronchopulmonale Aspergillose fordern uns tagtäglich heraus. Neue Medikamente und diagnostische Möglichkeiten (Stichwort: Komponentendiagnostik), aber auch ein zunehmendes Verständnis der komplexen Mechanismen bedingen eine hohe Expertise.“
Die Allergologie ist nach Ansicht von Prim. Dr. Cerkl „zu einer komplexen Fachrichtung herangewachsen. Durch den Ausbildungsverbund Allergologie Vorarlberg wird diesem Umstand Rechnung getragen und ermöglicht uns eine fundierte Ausbildung in diesem Fach.“
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