Erfolgreiche Premiere am Landeskrankenhaus Feldkirch 10.11.2021
Erstmals in Österreich Hüftprothese unter ambulanten Bedingungen eingesetzt
Morgens anreisen, vormittags OP, abends wieder zu Hause. Was bei ausgewiesenen tageschirurgischen Eingriffen - wie etwa Krampfadern und Leistenbrüchen - bereits möglich ist, haben Spezialisten am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch nun erstmals in Österreich auch auf einen größeren Eingriff übertragen: ein Team der Abteilung „Orthopädie und Unfallchirurgie“ hat dem ehemaligen Leistungssportler Thomas Jochum ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt - und das unter ambulanten Bedingungen: Der Ringer und WM-Teilnehmer konnte wenige Stunden nach dem erfolgreichen Eingriff das Spital wieder verlassen.
„Herr Jochum war ein optimal geeigneter Patient, um erstmals dieses ambulante Verfahren anzuwenden, da er als ehemaliger Leistungssportler beste körperliche Voraussetzungen mitbringt“, erklärt Dr. Johannes Abel, der die Operation geleitet und durchgeführt hat. Der leitende Oberarzt steht dem Bereich „Endoprothetik“ unter Prim Priv. Doz. Dr. René El Attal vor. Der Eingriff selbst ist routinemäßig und ohne Komplikationen verlaufen.
Überdurchschnittlicher Anspruch ans Gelenk
Thomas Jochum hat nach eigenen Angaben erstmals im Jahr 2013 - bei der Vorbereitung zur Weltmeisterschaft - „Beschwerden in der Leistengegend“ gespürt. Nach einem Arztbesuch hat der heute 50-Jährige erfahren, dass die Schmerzen von deutlichen Abnutzungserscheinungen im Hüftgelenk verursacht werden: „Bei Herrn Jochum lagen mechanisch ungünstige Verhältnisse vor“, erklärt Dr. Johannes Abel. „Durch einen breiten Oberschenkelhalsknochen kam es bei Herrn Jochum zu einem Anstoßen des Schenkelhalses am Becken (Hüftimpingement), was wiederum zu einer frühen Arthrose führt. Zudem war er semi-professioneller Ringer mit einem überdurchschnittlichen Anspruch an das Gelenk, das hat sich zusätzlich negativ ausgewirkt.“ Der Schaden war zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung zu fortgeschritten, um das mechanische Problem noch gelenkserhaltend, etwa durch eine Hüftarthroskopie, korrigieren zu können.
Persönliche Entscheidung zum ambulanten Eingriff
Eine längere Zeit ohne seinen geliebten Sport zu leben, war für Thomas Jochum zunächst undenkbar, die unvermeidbare Operation hat er deshalb noch ein paar Jahre hinausgeschoben. Die Möglichkeit, den Eingriff nun nach Wunsch auch ambulant durchführen zu lassen, hat ihn sofort überzeugt: „Ich verbringe nicht gerne Zeit im Krankenhaus“, schmunzelt er. „Ich bin der Meinung, dass ich zu Hause genauso gut für meine Heilung sorgen kann, wenn die Umstände passen.“ Seine behandelnden Ärzte haben schlussendlich das Okay gegeben und Thomas Jochum ist damit als erstem Patient im Land unter ambulanten Bedingungen ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt worden. „Da wir wirtschaftlich und medizinisch keinen Druck haben, Hüft-Patient:innen ambulant zu versorgen, ist es überaus wichtig, dass die Betroffenen selbst von dem Verfahren überzeugt sind und der Wunsch danach von ihnen ausgeht“, hält Dr. Johannes Abel fest. Und Thomas Jochum bekräftigt: „Ich hatte die ganze Zeit über und auch am Tag der OP ein sehr gutes und lockeres Gefühl. Ich habe mich gut aufgehoben gefühlt.“
Langzeitergebnisse wissenschaftlich bestätigt
Hüftprothesen unter ambulanten Bedingungen einzusetzen, kennt man vor allem in den USA, in Kanada, Skandinavien und in den Niederlanden schon seit längerem. „Dass man eine Hüftprothese auch ambulant sicher einsetzen kann, ist in mehreren Untersuchungen belegt und in wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht“, erklärt Dr. Abel. „Die Langzeitergebnisse sind dabei dieselben wie bei einem Eingriff im stationären Setting. Auch die Operation an sich unterscheidet sich nicht.“ Die Verfahren unterscheiden sich darin, dass der Patient erst am Morgen des OP-Tages ins Krankenhaus kommen muss, am selben Tag operiert und wenige Stunden später wieder nach Hause entlassen wird.
Gute interdisziplinäre Vorarbeit nötig
Der Eingriff ist im Vorfeld sorgfältig geplant worden. Es ging laut Dr. Johannes Abel vor allem darum, einen reibungslosen Ablauf zu koordinieren und alle beteiligten Disziplinen mit ins Boot zu holen: „Außerdem wurden Kriterien festgelegt, die postoperativ erfüllt sein mussten, damit Herr Jochum so früh entlassen werden konnte. Bei geringstem Zweifel - das war für alle ganz klar - hätte er stationär bleiben müssen.“ Seine Frau Carmen hat sich nach der Entlassung aus dem Spital um Thomas Jochum gekümmert. „Die erste Zeit war noch ungewohnt“, erzählt der Familienvater. „Ich konnte erst nach und nach realisieren, dass wirklich alles geklappt und gepasst hat“.
Betreuungsmöglichkeiten müssen gegeben sein
In die Planung sind auch Thomas Jochums behandelnde Ärzte aus dem niedergelassenen Bereich miteingebunden worden. So hat etwa Orthopäde Dr. Oswald Pinggera die weitere medizinische Betreuung ab dem ersten postoperativen Tag übernommen. „Alles in allem ist so ein Eingriff organisatorisch aufwändig, alle Abklärungen und Untersuchungen müssen in kurzer Zeit untergebracht werden und eine adäquate Versorgung zu Hause gewährleistet sein. Diese Voraussetzungen und Betreuungsmöglichkeiten müssen unbedingt gegeben sein“, fassen alle Beteiligten zusammen. Thomas Jochum selbst hat den Ablauf am großen Tag als „sehr gut organisiert“ empfunden: „Das gesamte Personal im Krankenhaus war, wie schon bei den vorangegangenen Terminen, sehr freundlich und hilfsbereit“, lobt er. „Auch die zeitlich gesetzten Abläufe konnten gut umgesetzt werden.“
Sichere Grenzen ausloten
Die Frage, welche Patient:innen für eine derartige Hüftoperation unter ambulanten Bedingungen überhaupt zugelassen werden können, ist noch nicht abschließend beantwortet. „Noch werden hier die Grenzen ausgelotet“, sagt Dr. Johannes Abel. „Man muss sich langsam herantasten. Deswegen kommen zunächst sicher nur junge und körperlich fitte Patient:innen ohne relevante Vorerkrankungen in Frage. Keine Indikation - zumindest in dem Setup wie es bei Herrn Jochum der Fall war - sehe ich hingegen für ältere Patient:innen sowie für jene, die in ihrer Mobilisation schon eingeschränkt sind, relevante Nebenerkrankungen vorweisen oder keine gute Unterstützung zu Hause haben.“
Hüftprothesen werden am LKH Feldkirch daher nach wie vor im Rahmen eines stationären Aufenthalts geplant. Ambulante Eingriffe werden die Ausnahme bleiben, denn aus rein medizinischer Sicht sieht der Fachmann wenige Vorteile gegenüber einem stationären Eingriff. Aber: „Mögliche positive Auswirkungen in Bezug auf eine schnellere Erholung im vertrauten Umfeld und der subjektive Vorteil für den einzelnen Patienten, schneller zu Hause zu sein, sprechen für das ambulante Verfahren.“
Medizinischer Fortschritt macht es möglich
Die medizinische Entwicklung auf diesem Gebiet - die Operationstechnik (minimalinvasiver vorderer Zugang), die Implantate, die Narkose und perioperative Betreuung – ist mittlerweile weit fortgeschritten und macht einen Eingriff im ambulanten Setting erst möglich: „Es ist mir ein Anliegen zu betonen, dass genau dieser medizinische Fortschritt allen Patient:innen am LKH Feldkirch zugutekommt und dies die eigentliche Errungenschaft ist“, bekräftigt Dr. Johannes Abel. „Als Dr. René El Attal das Primariat der Abteilung übernommen hat, führte er das Rapid Recovery Programm ein, durch das sämtliche Abläufe der endoprothetischen Eingriffe am LKH Feldkirch interdisziplinär definiert werden. Ich war schon lange von diesem Programm überzeugt. Jetzt wissen wir, dass es tatsächlich so gut funktioniert, wie wir angenommen haben“, freut sich der Mediziner.
Dosiert die Belastung steigern
Thomas Jochum kann sich nun daheim in gewohnter Umgebung erholen. Er hat bereits mit der rund sechswöchige Physiotherapie begonnen: „Ich werde hier drei Mal pro Woche trainieren“, ist Thomas Jochum motiviert. „Wichtig sind auch die Einheiten zwischen diesen Terminen. Eine Herausforderung ist es, das richtige Maß zu finden. Hier hilft mir mein jahrelanges Training und Gespür für den eigenen Körper. Mir geht es sehr gut, ich habe kaum Schmerzen und bin den Umständen entsprechend schon recht mobil.“
Nach diesen sechs Wochen steht ein Kontrolltermin samt Röntgen an: „Sofern dann alles in Ordnung ist, braucht es keine weiteren Therapien mehr und Herr Jochum kann nach eigenem Ermessen die Belastung steigern“, erklärt Dr. Johannes Abel. Bei einem normalen Verlauf kann der Arzt dann seinem Patienten alle Belastungen in der Arbeit und im Sport erlauben - trotz des künstlichen Gelenks. „Ich weise die Patienten aber auch immer darauf hin, dass es durchaus Sportarten gibt, die schonender für das Implantat sind als andere…“
Für Thomas Jochum ist es zunächst einmal nur wichtig, „nach jahrelangen Schmerzen den Alltag ohne Einschränkungen leben zu können, wieder unbeschwert Sport zu betreiben und mich den verschiedenen Herausforderungen stellen zu können. Ich würde diesen Eingriff weiterempfehlen, weil alles sehr gut verlaufen ist und ich die häusliche Umgebung zur Heilung nur empfehlen kann.“