Die Hand hilft dem Ausdruck der Seele 28.02.2019
Tagung der Österr. Gesellschaft für Handchirurgie in Vorarlberg
Zum ersten Mal tagt die Österreichische Gesellschaft für Handchirurgie am 1. und 2. März im Montforthaus Feldkirch. Organisiert wird die Jahrestagung vom Handchirurgen OA Dr. Christoph Mittler und Abteilungsleiter Prim. Doz. Dr. René El Attal, Schwerpunktabteilung für Unfallchirurgie am LKH Feldkirch. Insgesamt erwarten die Organisatoren bis zu 180 Expertinnen und Experten der Handchirurgie und Ergotherapie, welche sich über neueste Erkenntnisse hinsichtlich Techniken, OP-Materialien und Therapieformen in der Behandlung von Erkrankungen und Verletzungen der Hand austauschen. Ein thematischer Fokus liegt u.a. auf der Nachbehandlung von Sehnenverletzungen.
„Die Hand ist aufgrund der Tast- und Greiffunktion ein wichtiges und gleichzeitig sehr komplexes Organ: Nirgends sonst im Körper finden sich so viele unterschiedliche Gebilde auf engstem Raum, wie etwa Sehnen, Knochen, Gelenke, Muskeln, Nervenbahnen“, erläutert OA Dr. Christoph Mittler das Organ, das für den Handchirurgen den Fokus seiner Arbeit darstellt. „Mit der Hand drücken wir uns aus – wir tasten und greifen, für Künstler wie Maler, Bildhauer oder Musiker sind Hände die Möglichkeit, ihre Seele mitzuteilen. Kein Anschlag am Klavier gelingt ohne sie, kein Ausdruck von Gefühlen in schriftlicher Form.“ Wer bereits eine Verletzung der Hand erlebt hat, weiß um den enormen Verlust der Alltagsfähigkeit. Typische Verletzungen entstehen etwa durch Sturz oder Arbeitsverletzung an Sägen oder Maschinen oder gar Explosionsverletzungen. „Erkrankungen im Handbereich sind etwa Sehnenscheidenentzündungen, Ganglien, Rheuma usw. Im Vergleich zu anderen Behandlungsmöglichkeiten bei Verletzungen am Bewegungsapparat wie z.B. Prothesen sind diese bei der Hand nicht als Ersatz möglich bzw. sind solche Lösungen noch nicht ausgereift - aufgrund der Komplexität des Organs ‚Hand‘“, so Dr. Mittler.
Wichtige Voraussetzungen für gute Handchirurgie
Am LKH Feldkirch versorgt die Unfallchirurgie jährlich 520 Verletzungen der Hand operativ, 200 die plastische Chirurgie und 300 Behandlungen (z.B. abgetrennte Fingerkuppen) werden ambulant durchgeführt. „Die Versorgung und Therapie einer verletzten oder erkrankten Hand sind immer eine große Herausforderung für den Handchirurgen. Jede Operation vom Hautschnitt weg findet unter der Lupe statt. Für eine gute Handchirurgie müssen die Voraussetzungen gegeben sein: Es braucht personell einen ausgebildeten Handchirurgen oder eine Handchirurgin und das organisatorische Zusammenspiel für operative Eingriffe mit der Anästhesie, es braucht ein Operationsmikroskop für die Mikrochirurgie und die technische Vorrichtung für minimalinvasive Eingriffe. Nach der Operation sind die konsequente Nachsorge und weitere Therapien mit den Ergotherapeutinnen für die Wiederherstellung der Funktionen im individuell auf den Patienten abgestimmten Programm notwendig. Und schlussendlich ist es der Patient selbst, der am Heilungsverlauf mitarbeiten muss“, fasst Dr. Mittler die Kriterien für eine erfolgreiche Behandlung zusammen. „Die Handchirurgie ist ein Zusatzfach zur Unfallchirurgie, Plastischen Chirurgie und Orthopädie. In Feldkirch ist die Handchirurgie der Unfallchirurgie zugeordnet“, ergänzt Abteilungsleiter Prim. Doz. Dr. René El Attal, Mitorganisator der Tagung. Und weiter: „Für ein Gelingen der Handchirurgie sind zu einem Drittel der Operateur und seine Erfahrung ausschlaggebend, zu einem weiteren Drittel die konsequente und lückenlose Nachsorge mittels professioneller Ergotherapie und zu einem Drittel die Konsequenz und der Wille des Patienten, mitzuarbeiten.“
Nachbehandlung bei Sehnenoperation: hohe Verletzlichkeit, behutsames Vorgehen
Gerade bei Verletzungen der Sehnen ist die Behandlung sehr komplex: „Sehnennähte sind sehr verletzlich, die Nähte müssen dynamisch nachbehandelt werden, um Verklebungen und später dann Einschränkungen zu vermeiden. Wir werden bei der Tagung diskutieren, was sich durch neue Techniken oder Nahtmaterialien für die Therapie von Sehnennähten verändert hat und welchen Einfluss diese Neuerungen auf die Nachsorge hinsichtlich aktiver bzw. passiver Bewegung haben“, ist Dr. Mittler bereits neugierig. Hier sei der Pfad schmal zwischen „Verklebung durch Nicht-Bewegen“ oder „Abreißen durch zu viel Bewegung“
Ergotherapeutische Nachsorge: Beispiel Kleinert-Schiene
Neben der Expertise des eigenen Bereiches für Handchirurgie ist am LKH Feldkirch auch eine eigene Ergotherapie für die Nachsorge der im LKH behandelten Patienten eingerichtet. Das Team der Ergotherapeutinnen führt jährlich 3500 Nachsorgebehandlungen durch. Ein Beispiel für so eine Nachsorgemöglichkeit bei Beugesehnenverletzungen ist etwa die sog. Kleinert-Schiene. „Dies ist die beste Behandlung nach einer Verletzung von Sehnen, sie gewährleistet gleichzeitig das Heilen und das Gleiten der Sehne, damit diese nicht verklebt“, informiert Ergotherapeutin Sabine Vonier, LKH Feldkirch. Die Schiene wird für jeden Patienten individuell angepasst und muss ca. 6 Wochen belassen werden. Das Prinzip der Behandlung beruht auf dem passiven (ohne Muskelkraft) Gleiten der operativ versorgten und sehr verletzlichen Sehne, 10x pro Stunde allerdings muss der Patient den betroffenen Finger in vollständige Streckung oder Beugung bringen. 2018 wurden insgesamt 164 statische Schienen und 104 dynamische Schienen angepasst. Diese passive/aktive Bewegung und ihre Intensität im Sinne der optimalen Patientenbehandlung mit neuen Techniken und Materialien ist ein thematischer Schwerpunkt der Jahrestagung der Handchirurgen und Ergotherapeuten in Feldkirch.
WEITERE INFORMATIONEN
Frühjahrsklausurtagung der Österr. Gesellschaft für Handchirurgie
http://www.handchirurgen.at/Termine/event/oegh-fruehjahrsklausurtagung-2019-94.html
Definition Ergotherapie:
Ergotherapie geht davon aus, dass Aktiv-Sein heilende Wirkung hat, wenn Aktivitäten für Personen gezielt ausgewählt werden. Die Handlungsfähigkeit im Alltag steht dabei immer im Zentrum der Ergotherapie. Die Ergotherapie – abgeleitet vom Griechischen „ergein“ (handeln, tätig sein) – geht davon aus, dass „tätig sein“ ein menschliches Grundbedürfnis ist und dass gezielt eingesetzte Tätigkeit gesundheitsfördernde und therapeutische Wirkung hat. Deshalb unterstützt und begleitet Ergotherapie Menschen jeden Alters, die in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt oder von Einschränkung bedroht sind und/oder ihre Handlungsfähigkeit erweitern möchten.
Ziel der Ergotherapie ist es, Menschen bei der Durchführung von für sie bedeutungsvollen Betätigungen in den Bereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit/Erholung zu stärken.
In der Ergotherapie werden spezifische Aktivitäten, Umweltanpassung und Beratung gezielt und ressourcenorientiert eingesetzt. Dies erlaubt dem Klienten, seine Handlungsfähigkeit im Alltag, seine gesellschaftliche Teilhabe (Partizipation) und seine Lebensqualität und -zufriedenheit zu verbessern.
Fachbereiche sind: Hand, Geriatrie, Orthopädie, Pädiatrie, Psychiatrie, Neurologie, Rheuma, Prävention
Quelle www.ergotherapie.at
Kleinert-Schiene:
Nachbehandlung nach Kleinert nach Beugesehnennaht des Zeigefingers
Die Nachbehandlung nach Kleinert (benannt nach Harold Earl Kleinert, US-amerikanischer Handchirurg) beschreibt das Vorgehen zur Handrehabilitation nach Beugesehnen-Verletzungen der Hand. Dabei sollen während der Heilungsphase vor allem bleibende Bewegungsdefizite und Wiederabreißen der Sehne verhindert werden. Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Nachbehandlung_nach_Kleinert
LKH-Patienteninformation zur Behandlung nach Kleinert
Das Prinzip der Behandlung beruht auf dem passiven (ohne Muskelkraft) Gleiten der operativ versorgten und sehr verletzlichen Sehne. Die Kleinert-Schiene wird einige Tage nach der Operation angepasst. Sie verläuft von den Fingen über den Handrücken bis zum Unterarm, der betroffene Finger wird mit Hilfe eines am Fingernagel fixierten Gummizügels und einer Umlenkung in die Hohlhand gezogen und in Beugung gehalten.
Die Funktion der Schiene besteht darin, dass der betroffene Finger aktiv (mit eigener Muskelkraft) 10x pro Stunde in vollständige Streckung gebracht wird. Danach lässt der Patient locker und der Gummizügel zieht den Finger wieder in die Hohlhand zurück. Durch diese Bewegung werden Verklebungen verhindert und die Gelenke bleiben frei beweglich. Eine solche Schienenbehandlung dauert rund 6 Wochen, nach Abnahme darf der betroffene Patient bis zu 12 Wochen keine schweren Gegenstände heben und muss ruckartige Bewegungen, wie etwa eine Fahrradbremse ziehen, vermeiden. Zudem darf die Hand nicht passiv in Streckung gebracht werden, etwa durch Abstützen. (Quelle: Handout für Patienten, Ergotherapie LKH Feldkirch)