Alles rund um Hirn und Wirbelsäule - Feldkirch als Zentrum der Neurochirurgie Österreichs 15.11.2018
Leuchtende Hirntumoren, implantierte Messsonden und Protonenbestrahlung waren Thema bei Jahrestagung der Österr. Gesellschaft für Neurochirurgie
Kürzlich fand erstmals im Montforthaus Feldkirch die 54. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurochirurgie statt. Tagungspräsident war Prim. Mag. Dr. Richard Bauer, Leiter von Vorarlbergs Schwerpunktabteilung für Neurochirurgie am LKH Feldkirch. Zeitgleich fand auch die 33. Jahrestagung der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Neurochirurgische Krankenpflege statt. Insgesamt kamen 230 Experten aus Medizin und Pflege nach Feldkirch. Zentrales Thema war das Interdisziplinäre Management in der Neurochirurgie, daneben wurden neueste Behandlungsmethoden evaluiert und Daten präsentiert.
„Nur durch eine gute Kooperation verschiedener Disziplinen ist ein optimales Behandlungsergebnis für den Patienten erzielbar. Dies beinhaltet die Zusammenarbeit zwischen chirurgischen und konservativen Fächern, diagnostischen und therapeutischen Disziplinen und chirurgischen Bereichen untereinander. Auch das Zusammenspiel von Ärzten und Krankenpflege ist essentiell für den Behandlungserfolg“, begründet Prim. Dr. Bauer das diesjährige Motto der Jahrestagung der Österr. Gesellschaft für Neurochirurgie in Feldkirch. Insgesamt 230 Experten waren der Einladung des Tagungspräsidenten nach Vorarlberg gefolgt. Themen wie das Monitoren von schweren Hirnverletzungen mittels Microchips, neue Bestrahlungsmethoden von Tumoren mit Protonen oder auch die Ortung von bösartigen Tumorzellen mittels Aufleuchten zählten zu den Kongress-Highlights. Zusätzlich legten 13 Jungärztinnen und -ärzten aus ganz Österreich ihre Facharztprüfung im Rahmen des Kongresses ab, darunter auch zwei Ärzte aus dem LKH Feldkirch, Dr. Agdaliya Mikhalkova und Dr. Johannes Marxgut.
Spezial-Monitoring bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma
Eines der spannenden Kongress-Themen war jenes des multimodalen zerebralen Monitoring bei schwerem Schädel-Hirn-Trauma: Pro Jahr und pro 100.000 Einwohner ereignen sich 200 bis 300 Unfälle mit Hirnverletzungen, die Mehrzahl dieser verläuft glimpflich und ohne bleibende Schäden. Ein Viertel der Patienten erleiden jedoch ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Das schwere Schädel-Hirn-Trauma ist bei unter 44-Jährigen noch heute die häufigste Todesursache. Im LKH Feldkirch beispielsweise werden jährlich ca. 100 Patienten mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma neurochirurgisch und intensivmedizinisch versorgt. „Die Prognose hängt hier zum größten Teil vom Ausmaß der primären Hirnverletzungen ab“, informiert Neurochirurg Richard Bauer. Dabei sollen intensivmedizinische und neurochirurgische Maßnahmen auf der Intensivstation sekundäre Hirnschäden verhindern, die aufgrund von Hirnschwellung und verminderten Hirndurchblutung entstehen. Für solche entsprechenden therapeutischen Maßnahmen müssen die Hirnfunktionen kontinuierlich gemessen werden. „Was hier helfen kann, ist z.B. die Implantation entsprechender Mikro-Messsonden im Gehirn, so wird eine Überwachung multipler Hirnfunktionsparameter. Gemessen werden können Hirndruck, Sauerstoff und Co2-Sättigung des Hirnparenchyms, Parameter des zerebralen Stoffwechsels sowie Parameter der zunehmenden Hirnschädigung. Sie geben Rückschluss auf die aktuelle Belastungssituation des Gehirns nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma und können Entscheidungshilfen für weiter therapeutische Maßnahmen sein. Im Zuge der Jahrestagung wurden die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema präsentiert.
Protonenbestrahlung bei gutartigen Hirntumoren
Eine andere Expertenrunde widmete sich den sog. Meningeomen, den häufigsten gutartigen intrakraniellen Tumoren. Primäres neurochirurgisches Behandlungsziel ist hier die komplette Tumorentfernung, wenn möglich. Allerdings kann je nach Beschaffenheit und Ort/Vorkommen des Tumors (z.B. Durchwachsen der Schädeldecke) eine Operation zu erheblichen neurologischen Ausfällen führen. „Hier stellt die postoperative Protonenbestrahlung nach einer Teiloperation eine Behandlungsalternative dar“, informiert Prim. Dr. Bauer. Die besondere Bestrahlung für die Krebsbehandlung mit Ionen findet im kürzlich eröffneteninterdisziplinären und überregionalen österreichisches Zentrum („MedAustron“) in Wiener Neustadt statt (derzeit noch kein Patient aus Vorarlberg). Diese Ionentherapie oder Partikeltherapie ist eine besondere Form der Strahlentherapie. Der Unterschied zur herkömmlichen Radiotherapie besteht darin, dass sich der Ionenstrahl durch Anpassung der Energie exakt in seiner Reichweite steuern lässt. Die Strahlendosis wird auf den Tumor fokussiert. Dies schont nicht nur das umliegende gesunde Gewebe, sondern minimiert auch die Nebenwirkungen. Im Zuge der Jahrestagung wurden erste positive Erfahrungen in der interdisziplinären Behandlung von Patienten mit neurochirurgisch nicht komplett entfernbaren Meningeomen und anschließender Protonenbestrahlung im MedAustron berichtet.
Tumore zum Leuchten bringen
Bei Operationen von bösartigen Hirntumoren in der Neurochirurgie wird die sog. 5-Aminolävulinsäure verwendet. Die gut verträgliche Substanz, welche Stunden vor der Operation eingenommen wird, reichert sich selektiv in Tumorzellen an und wird dort zu einem Fluorenzenzstoff umgewandelt. Mittels Blaulicht, welches vom Operationsmikroskop während der Operation ausgesendet wird, kann der Tumor zum Aufleuchten gebracht und so dementsprechend entfernt werden. Dadurch kann die Resektionsrate signifikant erhöht und das Überleben der Patienten verlängert werden. Diese moderne Technik steht auch im LKH Feldkirch zur Verfügung und wird ausnahmslos zu Resektion bösartiger hirneigener Hirntumore verwendet.
Im Zuge der Jahrestagung nun wurden Daten präsentiert, die zeigten, dass diese Technik auch bei Operationen von vermeintlich gutartigen Hirntumoren als sinnvoll erscheint. Sie ermöglicht ein Erkennen (und Behandeln) von eventuell vorkommenden bösartigen Tumorarealen auch in einem vermeintlich gutartigen Tumor bereits während der Operation. So kann der Arzt einer Unterschätzung der Bösartigkeit des Tumors vorbeugen.