Höchste pflegerische Standards für die Jüngsten 24.04.2024
1. Vorarlberger Pädiatrischer Pflegetag im LKH Feldkirch
Am Montag, den 29. April 2024, findet im Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch der erste Vorarlberger Pädiatrische Pflegetag statt. Die Veranstaltung ist Auftakt für ein künftig regelmäßig stattfindendes Fortbildungsangebot für pädiatrische Fachleute. Das „Bildungsinstitut Fachbereiche Gesundheitswesen“ und die Abteilung für Kinder- und Jugendheilkunde am Akademischen Lehrkrankenhaus Feldkirch haben interessiertes Fachpublikum eingeladen, um sich anhand von Vorträgen und Kurzreferaten über aktuelle Entwicklungen und Leistungen auf dem Gebiet der pflegerischen Arbeit mit kranken Kindern und Jugendlichen zu informieren. Der Bogen der Themen spannt sich dabei von spezieller Neugeborenen-Pflege und Ernährung über den Umgang mit Eltern in Ausnahmesituationen und den Blick hinter die Kulissen der Notaufnahme bis hin zu Schmerzmanagement bei Kindern.
Einer der Feldkircher Referent:innen ist DGKP Gerhard Aspalter, MA. Er erörtert in seinem Vortrag jene „Warnzeichen“, die auf ein „kritisch krankes Kind“ hindeuten. Er macht einmal mehr darauf aufmerksam, wie und warum eine strukturierte Vorgehensweise die Diagnosefindung erleichtern und Leben retten kann. Der Experte im Bereich Neonatologie- und Kinderintensivpflege arbeitet seit über 20 Jahren auf der Kinderintensivstation am LKH Feldkirch. Zudem gibt er sein Wissen und seine Erfahrungen laufend an seine Fachkolleg:innen und an Eltern weiter. Seine „Kindernotfall-Trainings“ dienen vor allem der raschen Entscheidungshilfe, aber auch der Prävention.
Das kritisch kranke Kind erkennen
„Krank zu sein bedeutet per se noch nicht, kritisch krank zu sein. Die Grenzen sind aber – gerade zu Beginn eines Krankheitsverlaufs und besonders bei Kindern – oft nicht eindeutig. Ein wiederholtes Beobachten, eine Verlaufsbeurteilung ist notwendig“, schickt DGKP Gerhard Aspalter voraus. Eltern sind zumeist die ersten, die erkennen und mitunter rasch entscheiden müssen, wann sie mit ihrem Kind in die Kinderarztpraxis oder gar ins Spital gehen müssen. Mit Hilfe von gut beobachtbaren Warnzeichen fällt die Entscheidungsfindung leichter, ob zusätzliche Hilfe organisiert werden muss oder ob abgewartet werden kann. „Nicht nur für Fachpersonal, sondern auch für Eltern ist es daher hilfreich, zumindest die wichtigsten dieser Warnzeichen zu erkennen“, betont Gerhard Aspalter. „Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene. Sie haben auch noch nicht so viele körperliche Reserven wie erwachsene Menschen, da kann es schneller zu kritischen Situationen kommen. Zudem können sie in ganz jungem Alter ihre Schmerzen oft nicht zuordnen oder ihren Allgemeinzustand zum Ausdruck bringen.“
Im klinischen Alltag haben dann die Expert:innen die Aufgabe, so schnell wie möglich festzustellen, ob ein Kind gesund, krank oder kritisch krank ist, um die entsprechenden Schritte zu setzen. Bereits die medizinische Erstversorgung eines kritisch kranken Kindes entscheidet über dessen Prognose. Und ein strukturiertes Vorgehen hilft auch den Profis dabei, sich rasch einen Überblick zu verschaffen.
Abklärung nach ABCDE-Schema
Seit vielen Jahrzehnten orientieren sich die Expert:innen in der Kinder-Erstbegutachtung (ob krank oder verletzt) deshalb an einem international standardisierten Ersteinschätzungssystem, das an den ersten fünf Buchstaben des Alphabets angelegt ist: nämlich am „ABCDE-Schema“. Es ist eine Leitlinie, an der man strukturiert und rasch erkennt, welche Maßnahmen zu setzen sind.
Im Folgenden ein adaptierter Auszug aus dem „Austrian Resuscitation Council“ der „Paediatric Working Group“:
Reaktion? Eindruck nach Kontaktaufnahme, Verhalten – Bewusstseinsniveau
Warnhinweis: Ungewöhnliches oder auffälliges Verhalten, schläfrig, bewusstlos – nicht weckbar?
- A für Atemwege Die Atemwege werden anhand von Sehen, Hören, Fühlen überprüft und gegebenenfalls stabilisiert und/oder geöffnet.
Warnhinweis: Die Einatmung macht Geräusche? - B für Breathing (Atmung) Zur Beurteilung der Atmung wird die Atemfrequenz bestimmt, die Atemarbeit bewertet, das Atemvolumen eingeschätzt, Sauerstoffsättigung/Hautfarbe (Zyanose?) bestimmt, weiters die Lunge abgehört.
Warnhinweis: Der Brustkorb hebt sich zu wenig oder zu viel? Und wie oft? Angestrengtes Atemmuster? Ist die Haut bereits bläulich verfärbt? - C für Circulation (Kreislauf) Für den Laien ist es schwierig, den Kreislauf zu beurteilen. Hierbei werden u.a. Herzfrequenz, Blutdruck, periphere Perfusion, die Vorlast erhoben sowie die Pulsqualität eingeschätzt.
Warnhinweis: „Rekapillarisierungszeit“: Dauert es länger als drei Sekunden, bis nach einem „Fingerdruck“ die Haut am Brustbein wieder den Ton der umliegenden Hautfarbe annimmt? Fällt ein neu aufgetretenes, marmoriertes Hautbild auf? Sind die Unterarme über das Handgelenk hinauf kühl? etc. - D für Disability (Bewusstseinsprüfung) Nach der Beurteilung des Bewusstseins, der Atemwege, der Atmung und des Kreislaufs wird die neurologische Funktion bewertet.
Warnhinweis: Lässt sich das Kind ungewöhnlich schwer bzw. nicht aufwecken? Verhält es sich komplett anders als sonst/sehr unüblich? - E für Exposure/ Environment (Entkleidung, Umgebung) Das Kind von Kopf bis Fuß ansehen: Nach Entkleiden des Kindes (Auskühlung vermeiden) wird der gesamte Körper untersucht. Warnhinweis: Sind ungewöhnliche Verfärbungen, ungewöhnlich rote Punkte, Ausschläge etc. bemerkbar?
Das ABCDE-Schema ist nicht nur eine Leitlinie, sondern gibt auch die Reihenfolge vor, die vor allem in hektischen und stressigen Situationen eine geordnete Beurteilung gewährleistet. „Besonders auch während der Nacht, wenn wir beispielsweise von einer Minute auf die andere vom Ruhemodus heraus hellwach sein müssen, funktionieren die Abläufe mit ABCDE“, erläutert Gerhard Aspalter aus dem Blickwinkel der professionellen Kinder- und Jugendlichen-Pflege heraus.
Damit das System tatsächlich „wie im Schlaf“ angewendet werden kann, ist allerdings Training nötig. Regelmäßige Skills- und Simulationstrainings garantieren Qualität: „Auch wenn man einmal gelernt hat, auf was geachtet werden muss und die Alarmzeichen kennt, sie sogar schon öfter gesehen hat, schadet es nicht, den Ablauf wiederholt zu trainieren. Es erleichtert auch die interne Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen im Alltag. Die einzelnen Schritte verlaufen damit einfach noch reibungsloser.“ Aber auch für Laien, insbesondere Eltern und Berufsgruppen, die mit Kindern arbeiten, empfiehlt es sich, das ABCDE-Schema in adaptierter Form zu lernen und immer wieder einmal zu trainieren.
Das ABCDE kann Leben retten
Mitunter müssen die Fachteams das ABCDE-Schema im Sinne einer Vorgeschichte mit den Eltern gemeinsam erheben, um noch feinere Nuancen zur Diagnosefindung herauszuarbeiten. Auch kann die Entscheidung fallen, ein Kind (etwa nach einem Sturz) stationär aufzunehmen, um es im Verlauf genauer zu überwachen oder beispielsweise mittels einer Computertomografie genauer zu untersuchen. Das Untersuchungsschema nach ABCDE ist zwar kein allgemein gültiges „Diagnose-Findungsgerät“, es kann aber in möglichst kurzer Zeit zu einem Gesamtbild verhelfen – und sogar Leben retten: „Wir hatten einmal einen jungen Patienten zugewiesen bekommen, der unter einer bereits diagnostizierten Angina und zunehmendem Erbrechen litt. Aufgrund des ungewöhnlichen Allgemeinzustandes des Kindes entschied das medizinische Personal, den Buben im Verlauf erneut zu untersuchen, um einen möglichen Fixierungsfehler auszuschließen. Trotz einer bestehenden, korrekten Diagnose wurde also noch einmal ein ABCDE-Check durchgeführt. Wir machen das übrigens bei jeder neuen, beobachtbaren Veränderung! Dabei bemerkten die Kolleg:innen, dass das Kind zusätzlich zur Angina-Erkrankung auch noch einen Darmverschluss erlitten hatte – eine lebensbedrohliche Situation, in der sehr schnell gehandelt werden muss“, nennt Gerhard Aspalter nur ein Beispiel von vielen. „Es wäre hier fatal gewesen, hätte man bei A oder C aufgehört zu untersuchen und nicht bei E den aufgeblähten Bauch gesehen! Also Respekt an das Team, das den Check konsequent durchgeführt hat und sich hier nicht in trügerischer Sicherheit einer einmal gestellten Diagnose gewiegt hat“, lobt der Fachmann.
WEITERE NEWS finden Sie hier: www.landeskrankenhaus.at/news